Civilist - Friends of Friends / Freunde von Freunden (FvF)

Civilist

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Freunde fürs Leben: Alex Flach und Andreas Hesse haben schon Anfang der Achtziger gemeinsam die Grundschulbank gedrückt, waren seit ihrer frühesten Jugend in Charlottenburg zusammen skaten und haben später das progressive Lodown Magazine mitbegründet. Auch heute noch sind Alex und Andreas fest in der Skateszene verwurzelt, haben sich allerdings mit ihr – und inzwischen auch ein Stück von ihr weg – weiterentwickelt. Weil sie verstanden haben, wo sie heute stehen. Und das tun sie nun jeden Tag im Civilist Store in der Brunnenstraße – einem Laden, der die Skatekultur erstmalig in Berlin interdisziplinär einbettet. Schließlich arbeitet Alex Flach seit Jahren erfolgreich als Fotograf (u.a. für Levi’s, Vans oder NIKE) und Andreas Hesse bewegte sich mit untitled ebenfalls schon länger auf künstlerischen Wegen. Street Wear und Street Art vom Feinsten: Wir haben die Jungs in ihrem Laden befragt.

Wie fing das eigentlich an mit dem Store?
AH: Die grundsätzliche Idee schlummerte schon eine ganze Weile in uns. Schließlich saßen wir oft genug in der Lodown-Galerie “West-Berlin” zusammen und haben festgestellt, dass wir etwas in der Art unbedingt weiterführen – aber auch weiterentwickeln – wollen. Die Änderungen betrafen vor allem das Ausstellungskonzept. Wir wollten größere, internationale Künstler repräsentieren und natürlich den Store-Charakter ausbauen. Ausschlaggebend dafür war, dass wir im Laufe der Jahre bei der Lodown – und Alex auch über seine unterschiedlichen eigenen Projekte – intensive Kontakte zu den Brands aufgebaut haben. Und uns die Personen und die Philosophie dahinter sowie der Aktionsradius, in dem sich diese Marken bewegen, ans Herz gewachsen sind. Überhaupt fanden wir genau diese Kombination in Berlin schlicht unterrepräsentiert.
AF: Letzten September haben wir uns dann konkret mit dem Ladenkonzept auseinandergesetzt, das aus der Kombination unser beiden Werdegänge entstehen sollte. Diese Idee haben wir dann stetig verfeinert. Und als sie sich gut anfühlte, haben wir uns Ende letzten Jahres nach Locations umgesehen.

Was meint Ihr genau mit dem erweiterten Aktionsradius einer Marke?
AH: Damit meinen wir deren Querverbindungen (wie beispielweise bei aNYthing und fucking awesome), die Alex als Fotograf und ich mit “untitled” wahrgenommen und weitergetrieben haben. Wir wollten keinen Store, in dem ein paar Klamotten bedeutungslos herumhängen, sondern wollten auch die Kunst dahinter integriert wissen – gerade weil der “do it yourself”-Charakter” des Skatens sich in vielen kreativen Ebenen bewegt.


Inwiefern bildet das Eure persönliche Entwicklung ab?

AF: Bei uns hat sich das eigene Interessenfeld erst so richtig entfaltet als die aktive Skaterzeit langsam nachgelassen hat. Damals haben wir lange Zeit nur Skatemagazine gelesen. Heute schauen wir uns auch an, was in der Kunst passiert, und wurden dabei unter anderem auch von Ed Templeton und Spike Jonze beeinflusst. Dazu kamen ganz neue Store-Welten – wie die von Colette in Paris. Jetzt versuchen wir selbst, mit Civilist die Inspirationen abzudecken, die uns die ganzen Jahre begleitet haben. Und wollen dabei möglichst viel Abwechslung bieten, indem wir regelmäßig neue Künstler unterstützen.


Wie stabil ist der Streetwear-Markt heutzutage eigentlich noch?

AF: Generell glaube ich schon, dass es Streetwear immer geben wird. Ist gibt wie überall anders auch Hochs und Tiefs. Es kommen neue Brands dazu, wie beispielsweise “The Hundreds”, die viel bunter und exzessiver sind. Daneben gibt es die Marken wie Stussy, die kontinuierlich präsent sind. Und dann ist es wieder eine Zeit lang sehr ruhig.
Wir werden natürlich auch älter und setzen uns mit den nachfolgenden Generationen auseinander, um zu verstehen wo die Trends hingehen. Und weil wir nicht davon ausgehen, dass jeder jedes Label kennt, haben wir an jedem Produkt Tags befestigt, die über den speziellen Background der Marke informieren.
Ich denke ein guter Weg für Stores ist der, zunehmend Kollaborationen zu pushen und den Marken kreative Angebote zu liefern, vielleicht sogar gemeinsam Ideen zu erarbeiten. In diesem Sinne bieten wir den Labels aus unserem Laden nicht nur eine enge Zusammenarbeit an, sondern versuchen auch, unser Wissen und unser Netzwerk mit anzubieten.


Inwiefern “enge Zusammenarbeit”?

AF: Wie bereits erwähnt, haben sich viele unserer Beziehungen über Jahre hinweg aufgebaut. Mit Civilist bieten wir ihnen ein breites Spektrum an Möglichkeiten – losgelöst vom reinen Abverkauf. Beispielsweise sagen wir interessierten Marken oft, dass sie uns gerne auch die Artworks der Designer und die Geschichten zu den Produkten mitschicken sollen. So kriegen erstens wir ein besseres Bild von den Produkten und im zweiten Schritt auch unsere Kunden und Gäste. Befinden wir das Artwork dann als spannend genug, hängen wir es an die Wand.

Gibt es Marken oder Kollaborationen, die sich in Eurem Laden besonders hervorheben?
AF: Nein, alle Marken hier sind in unseren Augen speziell. Deshalb haben wir sie ja ausgewählt. Supreme und Vans könnte ich jetzt nennen, aber es ist schwierig, dabei eine bestimmte Zusammenarbeit zu nennen. Was unsere Zulieferer aus den USA angeht merken wir, dass sich Berlin zu einer wichtigen Streetwear-Hochburg in Europa entwickelt hat. Davon profitieren wir. Die Marken haben uns gern auf ihrer Liste und suchen den Kontakt.


Ein Ausblick: Was müssen zukünftig Marken im Streetwear-Bereich beachten?

AH: Einfach ausgedrückt: Mehr auf das Produkt achten, weniger kommunizieren. Daneben: mehr Eigenständigkeit in der Marke und in dem Produkt. Marken wie “Fresh Jive”, die ohne Logo arbeiten (als Beispiel), werden Aufsehen erregen. Unkonventionelle Ideen und Aktionen, die sich vom Mainstream abheben. Das Versprechen von Authentizität können aktuell die wenigsten Marken wirklich bieten. Da besteht in jedem Fall Verbesserungsbedarf.


Welchen Stellenwert hat die Produktqualität für Euch?

AH: Es geht hier nicht einfach nur um irgendwelche tollen bedruckten T-Shirts. Diesen Aspekt haben mittlerweile auch die meisten Marken verstanden und informieren in den Kollektionsaussagen meistens sehr gut über die Herkunft und Qualität der Produkte. Uns ist grundsätzlich wichtig, dass die Materialien gut sind und auch die Herstellung und Verarbeitung angemessen sind. Gleichzeitig wollen wir jedoch auch, dass sich die Preise in einem vernünftigen Rahmen bewegen. Sachen, die wir nicht kennen, testen wir entweder durch minimale Stückzahlen oder bestellen sie erst gar nicht.

Wer ist für die Produktauswahl bei Civilist verantwortlich?
AH: Das machen wir gemeinsam und das funktioniert auch reibungslos. Denn wir wissen beide, was funktioniert und was gut ist. So besteht ein ständiger, produktiver Austausch – zumindest meistens.

Mit welchen Stores seid Ihr damals aufgewachsen?
AF: Neben den US-Shops wie “Supreme” auf alle Fälle mit “California Boarding” in Charlottenburg. Das Schöne dabei war das kollektive Gefühl, immer einen Platz zu haben, wo man abhängen und Leute treffen konnte – quasi wie ein zweites Zuhause. Ähnliches wollen wir auch mit Civilist erreichen: einen Platz, wo Leute auch einfach mal vorbeischauen können, Ideen austauschen und dabei ein Bierchen trinken.


Versteht Ihr Civilist auch als Kontaktplattform?

AF: In jedem Fall! Austausch ist für uns essentiell und zwar nicht nur der über Facebook. Die Leute sollen hier zwar nicht den ganzen Tag rumhängen, aber es wird beispielsweise kleine Record Release-Sessions geben oder andere kleine Veranstaltungen, bei denen wir Leute aus dem Musik-, Kunst- und Kulturbereich vorstellen.

Wie gestaltet Ihr die Kommunikation für den Store?
AH: Aktuell sind wir nur über unseren tumblr-Blog im Netz vertreten, weil wir schlichtweg zu wenig Zeit dafür haben. Die einseitige Netzpräsenz und die minimierte Kommunikation darüberhinaus hat andererseits den Vorteil, dass die Leute – so wie früher – eher zufällig auf unseren Store aufmerksam werden und die Verbreitung viel über Mund-zu-Mund-Propaganda stattfindet. Wir sind jedoch dabei, die Kommunikation weiter auszubauen – wenn auch langsam und bedacht.

Wie geht Ihr bei Planung und Umsetzung der Ausstellungen vor?
AF: Kurzfristige Ausstellungen sind schwierig, es sei denn man bleibt sehr lokal und macht spontan was mit Kumpels. Da wir jedoch mehr international arbeiten wollen, lässt sich die Planung nur langfristig realisieren. Wir besprechen gemeinsam Themen, Ausstellungskonzepte und Künstler, die wir für interessant halten und versuchen dabei eine gewisse Stimmigkeit im Gesamtkonzept beizubehalten.


Das spielt ja ein bisschen in den Galeristen-Bereich rein…

AF: Ja, große Erfahrungen hatten wir in diesem Bereich nicht, außer meiner eigenen Ausstellung in der Pool Gallery, aber unsere Erfahrungen aus der Arbeit beim Lodown Magazine spielen in der Organisation und Abwicklung jeglicher Komponenten ein wichtige Rolle und es klappt soweit ganz gut.


Abschließend zurück zu eurem Ursprung: Was sind Eurer Meinung nach zur Zeit die besten Skatespots der Welt?

AF: Allgemein würde ich ganz klar sagen: Los Angeles und der Umkreis von Los Angeles, wobei es immer schwieriger wird dort Spots zu finden, wo man wirklich skaten darf. Barcelona ist in jedem Fall super. Aber das Beste, was ich in letzter Zeit gesehen habe, war Abu Dhabi: alles neu gebaut, viel Platz und wenig Security. Andere sprechen auch von ein paar Städten in China, wie bespielsweise Shenzhen.
AH: Wenn ich über Skatespots reden würde, wäre das anmaßend. Das letzte Mal, dass ich auf dem Skateboard stand, ist schon viel zu lange her und ich bin nicht mehr wirklich auf dem Laufenden. Alex schon eher – bedingt durch seine Tätigkeit als Fotograf.

Ein Besuch bei Civilist lohnt sich aus vier einfachen Gründen: Hervorragende Produkte, ein stimmiges Gesamtkonzept, tolle Artworks und sympathische Menschen, mit denen wir jederzeit die Theke teilen würden. Für einen Einblick in die Produktauswahl und aktuelle News, schaut mal auf der aktuellen Online-Präsenz rein oder geht einfach direkt vorbei (- zum Beispiel bei der nächsten Keinemusik Record Release Party am Dienstag, den 23.02.2010).

Interview: Tim Seifert
Text: Julia Stelzner (Willkommen im Team)
Fotografie: Ailine Liefeld

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