Helena Kapidzic - Friends of Friends / Freunde von Freunden (FvF)

Helena Kapidzic

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Sonnenlicht durchflutet die geräumige, in weiss gehaltene Dachgeschosswohnung in Berlin-Charlottenburg. Draußen ist es ruhig. “Die Treppen in den sechsten Stock sind jeden Tag eine neue Herausforderung, auf die ich gerne verzichten würde”, sagt sie sichtlich genervt von dem steilen Treppengang in ihre Wohnung.
Helena kommt gerade von einem morgendlichen Werbedreh und muss sich erst einmal ordnen.

Sie wirkt locker und hat keine Probleme mit der Kamera.
Die gebürtige Münchenerin lebt erst seit knapp einem halben Jahr in ihrer Charlottenburger Wohnung. Vorher wohnte sie gemeinsam mit ihrem Ex-Freund Alex (auch als Lexy bekannt) in Kreuzberg.
Die gelernte Maskenbildnerin gründete 2007 mit dem gelernten Grafikdesigner Lexy das Label Niconé, ein Wechselspiel aus Mode und Musik. Ende 2008 öffnete ihr eigener Store in Prenzlauerberg seine Pforten. Wie es zu der Gründung kam, welche Ideen sie verfolgt und warum sie ihre Heimatstadt München immer noch sehr schätzt, teilt sie uns im Gespräch mit.

Du kommst aus München und trägst gern Dirndl. Was bevorzugst Du: Jeans und Lederjacke oder die traditionelle Tracht?
Das kommt auf die jeweilige Situation an. (lacht) In München trage ich natürlich alljährlich zum Oktoberfest mein Dirndl, in Berlin wird es nur manchmal zum Spaß ausgepackt. Trachtenmode kann man nicht jeden Tag tragen, Jeans und Lederjacke jedoch schon. Letztes Jahr beim Melt Festival sind wir in Münchner Tracht aufgelaufen. Wilson, Muck, Max und ein paar andere Jungs in Lederhosen und ich im Dirndl.

Erzähl uns ein bisschen von Niconé und den Herausforderungen bei der Gründung des Labels.
Unsere größte Herausforderung zu Anfang war die erste Messe, die Premium in Berlin. Wir kamen beide nicht aus der Modebranche und hatten mit einfachen grafischen T-Shirts angefangen. Der Erfolg, den wir mit den T-Shirts hatten, verhalf uns zu einem Stand auf der Premium, woraufhin wir eine Kollektion für die Messe entwarfen.
Bei unserem Stand war immer eine Menge los, eine saubere Gaudi mit Freunden und Bekannten. Das hat natürlich viele Leute angezogen, wodurch letztendlich acht Shops geordert haben. Das war sehr positiv für unseren ersten Messeauftritt.

Woraus bestand eure erste Kollektion?
Aus recht viel Seide, Jersey, acht verschiedenen T-Shirt Motiven und einer Hosenlinie, aus dickem 280-Gramm-Jersey-Stoff in bunten Farben und sehr eigenem, entspannten Schnitt, die zu Beginn auch ein bisschen den Charakter von Niconé geprägt hat.

Haben euch andere Labels unterstützt?
Generell finde ich gegenseitigen Support unheimlich wichtig. Allerdings sind viele Labels immer etwas vorsichtig, weil sie denken, man könnte sie kopieren. Diese Gefahr sehe ich in unserem Bereich überhaupt nicht. Hinter einem Label muss auch immer eine Philosophie stehen, die man nicht erfragen oder einfach kopieren kann.

Welche Tipps würdest du einem Modeanfänger mit auf den Weg geben?
Ich würde in jedem Fall versuchen mich bei anderen erfahren Modeleuten und Labels zu informieren, was man richtig und falsch machen kann. Vorsichtig und langsam anfangen. Man kann sich schnell bei einfachen Dingen verzetteln, wenn man keine Erfahrung in der Branche hat. Angefangen bei den Etiketten in den T-Shirts, über ein zu teuer produziertes Lookbook, bis hin zu der richtigen PR. Man braucht beim Start nicht das teuerste Hochglanzpapier oder eine Riesenagentur, die einen betreut.

Glaubst du, dass die Bekanntheit von Lexy ein Vorteil für den Erfolg eures Labels war?
Wir versuchen bis heute seine Bekanntheit eher geheim zu halten. Klar ist es so, dass die Leute, die Lexy vom Sehen kennen, ihn sofort registrieren, aber das forcieren wir nicht.

Wie seid ihr auf den Namen Niconé gekommen?
Wir wollten keinen Namen, der sich von unseren Namen ableitet. Niconé setzt sich aus Ikone und Nico zusammen. Wir sind beide Fans von Nico von Velvet Underground. Sie ist eine Ikone, die immer sehr stylisch auftrat.


Wie kam die Kombination aus Mode und Musik zustande?

Wir verbinden mit unserem Label Mode, womit wir gestartet sind, und Musik. Dabei handelt es sich um elektronische Musik, die teilweise von mir besungen wird. Uns war immer klar, dass es Niconé Musik irgendwann geben würde und da Lexy DJ ist, erschien uns die Kombination zu einem gewissen Zeitpunkt logisch.

Seid ihr damals mit einem bestimmten Musiklabel gestartet?
Wir haben die Musik auf verschiedenen Labels veröffentlicht. Unter anderem das Label Stil vor Talent, dann Bar 25 und sogar auch auf einem japanischen Label.

Also gleich international, in Tokyo gibt es ja auch einen Shop, der Niconé verkauft…
Ja, die ganzen Kontakte nach Japan kamen größtenteils durch die Messen zustande.

Du kommst aus München, scheinst Dich aber in Berlin sehr wohl zu fühlen. Erkläre uns den modischen Unterschied zwischen München und Berlin.
Berlin ist bunt, ausgeflippt, vintage und sehr jung. Auch die älteren Leute sind hier etwas lässiger angezogen. München ist mehr gesetzte Schickeria, würde ich sagen. Die jungen Mädels tragen eher Louis Vuitton und Prada. Verglichen zu Berlin ist der Lebensstandard in München ziemlich teuer, was sich auch oft auch im Kleidungsstil widerspiegelt. Berlin ist einfach eine günstige Stadt, die einem trotzdem auf eine andere Weise Luxus bietet.

Was verbindest Du mit München?
Mein Herz schlägt für Bayern! (lacht) In erster Linie ist es meine Heimat und die Stadt, in der ich aufwuchs. Ich bin in München-Starnberg aufgewachsen und in Gautingen zur Schule gegangen. Hier wohnt meine Familie. Ich liebe es nach München zu fahren und mich mit meinen Leuten zu treffen. Dann mache ich immer ein großes Essen und lade alle ein, die mir nah sind. Es ist immer sehr herzlich, wenn ich in München bin.

Wann bist du nach Berlin gezogen?
Ich bin vor drei Jahren nach Berlin gekommen und direkt zu Lexy nach Kreuzberg gezogen. Ich hab das Gefühl, dass alle, die aus Süddeutschland hierherziehen, erstmal in Kreuzberg landen. Ich war wegen der freiberuflichen Arbeit als Stylistin nicht an eine Stadt gebunden und da ich Lexy ein halbes Jahr auf seinen Auftritten begleitet habe, entschlossen wir irgendwann, dass ein Umzug nach Berlin am meisten Sinn macht. Ein Umzug von Lexy nach München wäre einfach ungünstig gewesen.

War die Gründung in Berlin ein Vorteil?
Klar, Berlin war der erste Schritt. Hier sind wir gewachsen und das Umfeld hat uns dabei nicht aufgehalten. Trotzdem verkaufen wir generell in Süddeutschland besser, was wahrscheinlich daran liegt, dass die Leute dort eher bereit sind, mehr Geld für Kleidung auszugeben.

Zwei Kleidungsstücke, ohne die Du nicht leben könntest?
Lederjacke und Strumpfhosen. Ich habe mindestens 50 Paar Strumpfhosen in den buntesten Farben.

Habt ihr mal überlegt, weniger T-Shirts und mehr Premium Mode zu machen?
Dadurch, dass wir beide keine wirkliche Ausbildung als Modedesigner haben, waren T-Shirts mit grafischen Motiven einfach ein Step, der nahe lag. Niconé ist unser Baby und wir sind keinem bestimmten Stil verharrt. Grundsätzlich ist es Kleidung, die wir selbst gerne tragen. Das ist uns immer sehr wichtig.

Du bist ja schon viel in der Welt herumgekommen. Erzähl uns eine Story, die dir am ehesten in Erinnerung geblieben ist.
Mein anstrengendstes und zugleich witzigstes Erlebnis war letztes Jahr, als ich auf dem Weg in den Urlaub nach Kapstadt war und nicht einreisen durfte, da ich kein gültiges Visum hatte. Ich habe einen kroatischen Pass und hatte nicht beachtet, ein Visum zu beantragen. Am Abend vor dem Abflug war ich mit Joko und Wilson beim Echo. Ich dachte, wenn ich durchmache, kann ich den ganzen Flug über schlafen. Mit einem Zwischenstopp zu Hause ging es direkt zum Flughafen. Beim Zoll in Berlin gab es keinerlei Komplikationen, was sich im Nachhinein als Problem darstellte. In Kapstadt angekommen, wurde ich nach einem ewigen Hin und Her mit Plastikhandschellen abgeführt und in dieselbe Maschine in Richtung Heimat gesetzt. Das Nervige war, dass ich den Strand schon spüren konnte.

Und welche ist Deine Lieblingsstadt?
Tokyo. Da war ich jetzt schon viermal. Die Leute ticken in Tokyo einfach anders und das gibt mir ein gutes Gefühl. Alles ist so schön bunt. Ich liebe die Lichter und die Farbenfreude der Menschen. Ich würde sofort hin ziehen, wenn man mir einen Job anbieten würde, ohne eine Sekunde zu zögern.

Worauf freust Du Dich in diesem Jahr?
Dieses Jahr in jedem Fall zwei Festivals: Melt und Rock am Ring. Im Herbst würde ich gerne einen Monat in Peking verbringen. Vielleicht fahre ich auch noch nach New York oder Tokyo.

Die Sonne scheint, wo treibt es Dich in Berlin hin?
Görlitzer Park, Paul-Lincke Ufer, Mauerpark und Berlin-Mitte natürlich.. Endlich kommt der Sommer!

Für weitere Informationen zu Helena und Neuigkeiten zu ihrem Label, schaut man am besten mal auf der Website von Niconé nach. Dort kann man sich auch die passenden Melodien zur Mode anhören.
Nach dem Interview notieren wir: egal ob Kreuzberg oder Charlottenburg, Helena bleibt im Herzen der Heimat verbunden, macht weiterhin Mode und hat die schönsten, ungewöhnlichsten Tattoos Berlins.

Gespräch: Tim Seifert
Text: Mariam Koorang Broodjerdi
Fotos: Ailine Liefeld

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