Johann König - Friends of Friends / Freunde von Freunden (FvF)

Johann König

Advertisement

Torstraße Berlin-Mitte. Auf dem Schild neben der Tür ist König gekritzelt. Wir klingeln. Die Wohnung ist im zweiten Stock. Der Galerist Johann König ist erst vor kurzem eingezogen, hat alles renovieren lassen. Eine klassische Berliner Altbauwohnung. Vorne gleich ein Kinderzimmer mit Spielsachen, im Nachbarraum ein großer roter Esstisch. Im Berliner Zimmer ein altes grünes Chesterfield Sofa mit ungewöhnlicher Geschichte. Um die Wohnung zu bekommen musste Johann das Sofa zu einem überhöhten Preis von den Vormietern abkaufen. Über dem Sofa eine große Wand mit Petersburger Hängung. Johann beginnt zu erzählen. Offen und energetisch ist er. Wie er nach Berlin kam und alles begann. Wie er seine Galerie positioniert und über sein Verhältnis zu seinen repräsentierten Künstlern. Und über Juergen Teller. Wie die aktuelle Ausstellung mit ihm in der Galerie zu Stande kam.

Wo kommst Du ursprünglich her?
Geboren und aufgewachsen bin ich in Köln, später sind wir nach Frankfurt gezogen.. Da mein Vater Direktor an der Städelschule wurde und den Portikus gegründet hat, eine Kunsthochschule mit eigenem Ausstellungsraum, Später, beim Spiel mit Knallern kam es zu einem Unfall, bei dem ich einen Teil meiner Sehkraft verlor. Das war so 1993, also mit zwölf. Ich bin danach relativ schnell in ein Blindeninternat nach Marburg gekommen, von wo aus ich dann direkt nach Berlin gegangen bin.

Du hast dann schon mit 21 Jahren die Galerie gegründet.
Genau, ich habe die Galerie aufgemacht, bevor ich mit dem Abitur fertig war.

Wie hat das geklappt?
Es war ziemlich absurd. Es hieß eigentlich nie Galerie, war aber irgendwie eine.

War es eher ein Projektraum?
Ich habe mir keine direkten Gedanken über die Form gemacht, hatte kein Geld. und war sowieso tierisch naiv. Aber ich habe es gemacht, weil ich gemerkt habe, dass ich unbedingt sofort etwas machen muss, was all meine Energie konsumiert. Zudem kam auch der Gedanke auf, dass wenn ich nach der Schule nicht sofort etwas mache, ich irgendwie zum Penner oder so ähnlich werde. Als ich es dann begonnen habe, habe ich dabei absolut unterschätzt was es eigentlich heißt eine Galerie zu führen.
Eigentlich bin ich auch durch Künstlerfreunde wie Jeppe Hein, Tue Greenfort und Michaela Meise zur Galerie gekommen.

Kanntest Du die über Deinen Vater?
Mein Vater war zu der Zeit bereits in Köln. Ich habe aber schon ziemlich früh Tobias Rehberger, Thomas Zipp, Sergej Jensen und Künstler wie Henrik Olesen und Sean Snyder kennengelernt. Bis auf Tobias, der in Frankfurt wohnt, also alles Leute, die heute in Berlin etablierte Künstler sind. Die waren dem Zeitpunkt Studenten an der Städelschule, an der Tobi heute Professor ist. Obwohl ich damals noch ein Kind war, hatte ich mit ihnen und der Folgegeneration an Künstlern immer etwas zu tun. Letztendlich hat mich allerdings Jeppe Hein dazu gebracht, die Galerie aufzumachen.

Warum, was hat er gesagt?
Er brauchte Repräsentation. Es gab auch viele andere Galerien die das machen wollten und daraufhin habe ich gemerkt, wenn ich das jetzt nicht mache, macht es ein anderer und die Chance mit einem so guten Künstler und Freund zu starten wäre vertan. Vor allem war es auch so, dass ich auf Grund des Unfalls kaum etwas sehen konnte – und auch heute immer noch nicht richtig gut sehen kann. Und es gab nicht so viel was ich hätte machen können. Eigentlich macht man ja auch nicht direkt eine Galerie auf, auch wenn man aus so einer Familie kommt, sondern arbeitet erst einmal irgendwo und sammelt Erfahrungen. Es war aber so, dass ich das alles nicht machen konnte, aber wusste ich habe ein Gefühl für Kunst und für Künstler.

Wärst Du selber gerne Künstler geworden?
Ich weiß nicht ob ich mich das getraut hätte, aber ich hatte Ansätze. Dann habe ich aber gemerkt, dass es einfach nichts ist. Ich konnte aber zumindest jemand sein, der Sachen auf den Weg bringt und somit irgendwie teilnimmt. Es gibt ein paar Projekte und Werke die es ohne mich wahrscheinlich nicht so gäbe; es gäbe sie wahrscheinlich anders, aber ich konnte zumindest meinen footprint hinterlassen. Das ist es was mich morgens in die Galerie gehen lässt.

Das klingt alles sehr praktisch. Hast Du Dich auch theoretisch mit Kunst beschäftigt?
Es war vorallem Intuition. Man hat natürlich eine Meinung und die ist auch über die Sozialisierung geprägt. Ich bin Zuhause zum Beispiel früh mit Konzeptkunst von Michael Asher, Dan Graham, On Kawara in Kontakt gekommen und wenn man so will, kann man das vielleicht auch ein bisschen an meinem Programm sehen. Aber das weiß ich nicht. Es ist bei mir natürlich auch die Frage, ob ich mich für weniger inhaltlich-kozeptuell-installative Positionen interessieren würde, wenn ich nicht diese visuelle Einschränkung hätte.

Wie begann es mit Deiner Galerie?
Ich hatte gemerkt, dass ich irgendwas mit Kunst machen muss. Kunsthandel und Kunstmarkt hatten mich zunächst nicht interessiert – in Berlin habe ich dann aber doch eine Galerie eröffnet.
Als erstes habe ich Michaela Meise, Tue Greenfort, Johannes Wohnseifer und Jeppe Hein gezeigt. Es lief Anfangs nicht so toll. Ich glaube, ich habe damals ein Bild von Johannes verkauft. Es war total frustrierend, aber ich wusste auch einfach nicht, was ich machen soll. Ich war total pleite, hatte Schulden und wusste nicht, woher ich Geld bekommen sollte.
Irrerweise hatte Jeppe dann die Idee von einer Kugel, die sich beim Betreten des Raumes in Bewegung setzt und die ganze Galerie komplett zerstört. Anders als viele Leute denken, war es übrigens nicht die erste Ausstellung in der Galerie.

Was wurde genau zerstört? Einrichtung, Stühle…
Nein, keine Stühle. Aber die Heizungsbänke und Wände; es war wie eine Abrissbirne die alles zerstört. Das Ganze lief vier oder fünf Wochen und die Galerie war danach totaler Schrott. Es war fast ein bisschen kriminell, denn die Produktion kostete 7.000 Euro und ich hatte das Geld nicht und habe es trotzdem in Auftrag gegeben. Denn ich dachte: Wenn ich jetzt schon Pleite gehe, dann gehe ich wenigstens mit wehenden Fahnen unter. Alle um mich herum, mein Vater, mein Onkel und mein damaliger Mentor Rudolf Zwirner haben mir alle von dem Projekt abgeraten. Sie haben mir geraten zunächst mit kleinen Arbeiten anzufangen, sachte zu verkaufen um zu wachsen und zu reinvestieren, lieber Gruppen- und keine Einzelausstellungen zu machen und keine Risiken eingehen.
Aber die Ausstellung mit Jeppe war ein ganz wichtiger Moment, denn wir haben die ganze Edition verkauft. Ich hatte enormen Stress mit mehreren großen deutschen Sammlern, weil ich das letzte Künstlerexemplar zurückgehalten hatte, weil ich wollte, dass es an ein Museum geht. Und da waren die total sauer. Ein halbes Jahr später habe ich das letzte Exemplar an das MOCA in Los Angeles verkauft. Aber das Ding war, dass in dem Moment, in dem du irgendwas machst, dich alle für total bekloppt halten und du aber genau damit Erfolg hast.

Das war der Durchbruch?
Das war wirtschaftlich der Anfang, weil ich meine Schulden begleichen konnte. Das war der Moment, in dem du beginnst zu merken, dass du mit dem richtig liegst was du gerade machst.

Wie sind die Kriterien, nach denen Du die Künstler Deiner Galerie aussuchst?
Ich habe eigentlich gar nicht wirkliche Kriterien. Mir ist aber immer wichtig, dass beide ein Interesse daran haben, eine gemeinsame Karriere zu entwickeln. Mich interessiert es also nicht, Vertriebsweg von irgendwas zu sein. Ich mache ganz selten nur Projekte, in denen es darum geht irgendwas zu verkaufen.

Was interessiert Dich inhaltlich?
Inhaltlich interessiert mich Kunst die ein Thema hat und sich ausgehend von diesem Thema ein Medium sucht. Es soll sozusagen eine Vision vorhanden sein oder ein politisches, soziales oder auch kunstgeschichtliches Problem, welchem man sich widmet und für das man Wege des Ausdrucks findet. Die können durchaus auch besonders sein. Mich interessieren vor allem auch Positionen, die sehr eigenartig sind oder die in ihrer Art sehr speziell sind. Ich versuche ein Programm zu realisieren, was sehr unterschiedliche Positionen vereint. Also nicht eine Schule, jeder Künstler ist unverwechselbar und es gibt wenige Überschneidungen.

Merkst Du, dass sich die Künstler unter Deiner Obhut besonders verändern und weiterentwickeln?
Klar, aber das ist etwas, was man gemeinsam entwickelt. Ich bin niemand der bestimmt, aber ich habe eine starke Meinung. Die letzte Entscheidung treffen aber immer die Künstler beziehungsweise im besten Fall treffen wir sie zusammen. Ich glaube, wenn Künstler gut mit einem Galeristen und über den dann mit Partnergalerien zusammen arbeiten können, ist es das Beste, wenn gemeinsam an der Karriere gearbeitet wird und sie sich dadurch entwickelt. Hin und wieder sind Künstler ihren eigenen Ideen aber auch so nahe, dass ihnen die Reflexion abhanden kommt und dann muss man auch Kritik üben.

Ist Galeriealltag für Dich stets spannend?
Was mich irgendwann tierisch genervt hat, war die Administration, Verwaltung, Bürokratie, etc. Es ist natürlich wichtig, denn Du brauchst eine Struktur, aber ich hatte damit so nicht gerechnet. Es ist ganz wichtig, dass man Künstlern, eine Infrastruktur bietet, denn man ist schließlich auch Dienstleister für Museen, etc. und am Ende sind wir das Büro der Künstler.
Aber es gibt natürlich viele positive Seiten die überwiegen. Für mich macht der Job besonders Spaß, wenn ich Projekte mit Künstlern gemeinsam realisieren kann. Jordan Wolfson zum Beispiel. Er wollte unbedingt mit uns arbeiten. Er rief mich an und sagte, ich habe eine Idee ich will einen Film machen, Cola Light Flaschen mit Milch gefüllt, die durch Detroit laufen und er bräuchte 30.000 Dollar. (lacht) Wir haben es zusammen auf die Beine gestellt und es wurde super.

Wie hat Dein familiärer Hintergrund Dir geholfen dahin zu kommen wo Du jetzt stehst?
Mein Onkel Walther hat mir sehr geholfen, da er mir auch Geld geliehen hat. Er hat mir damals etwas Geld geliehen, das war allerdings sofort weg. Miete, Mitarbeiter etc. Der damalige Betrag entspricht heute der Miete von 6 Wochen.
Besonders war für mich, dass er als Kaufmann mir das Vertrauen geschenkt hat.
Ansonsten, klar ich kenne natürlich ‚die ganze Welt’, aber es gibt auch viele Leute die haben Ärger mit der Verwandtschaft oder ähnliches und dann habe ich da auch Nachteile.
Am Anfang waren die Leute auch extrem kritisch, das war aber auch gut, es hat den Druck erhöht.

Zur aktuellen Ausstellung mit Juergen Teller. Wie ist die entstanden?
Jedes Jahr gibt es das Projekt Paris-Berlin. Wir sind da zum dritten Mal dabei und ich habe immer versucht etwas Spezielles dazu zu machen. Der Bezug dieses Mal ist, dass Juergen Naktaufnahmen von Charlotte Rampling und Raquel Zimmermann im Louvre gemacht hat – was gibt es passenderes zu Paris als das?

Woher kanntest Du Juergen Teller?
Ich hatte ihn ein paar Mal getroffen bei irgendwelchen Abendessen. Er hatte dann mal einen Auftrag angenommen ein Photo von mir zu machen für ein Magazin in Russland – das wurde nie veröffentlicht, weil der Herausgeber verhaftet wurde (lacht). So haben wir uns näher kennengelernt und das Projekt gestartet.

Die Galerie von Johann Koenig mit der aktuellen Ausstellung von Juergen Teller findet man in der Dessauer Strasse 6-7 in Berlin. Auf der website zur Galerie gibt es auch noch weiterfuehrende Infos.

Photos: Philipp Langenheim
Video: Marcus Werner
Interview: Timmi Seifert, Moritz Kaufmann
Mitarbeit: Viola Röhricht

Advertisement