Paul Frick - Friends of Friends / Freunde von Freunden (FvF)

Paul Frick

Advertisement

Im Hinterhof von „Yorck Records“ in Berlin-Kreuzberg ist Paul Frick zu Hause, ein Musikvirtuose der jüngeren Generation. Er lebt mit seiner Freundin, einer Comic-Zeichnerin aus Barcelona in einer Zweiraumwohnung, die gleichzeitig auch als Studio dient. Überall liegen Notenblätter, ein altes Klavier steht neben einem Tisch voller CD´s und Bücher, gegenüber das Keyboard – auch der Laptop darf nicht fehlen.
Als Meisterschüler von Friedrich Goldmann an der Universität der Künste Berlin, zählt Paul mit Sicherheit zu einem der talentiertesten Berliner Musiker seines Jahrgangs.

Studiert hat er moderne und klassische Komposition. Sein musikalisches Repertoire reicht von Klassik über französischen Hip Hop, Jazz, Artschool Pop der 80er Jahre, bis hin zu progressiver elektronischer Musik. Er schrieb Opern, aber auch Hörspiele für das Radio.

Das Interesse zur Musik kam früh. Damals in der Grundschule setzte er sich, ohne Zwang des Elternhauses, von alleine ans Klavier und übte. Er übte, um immer besser zu werden, nicht um einfach nur ein Instrument spielen zu können.
Spricht man mit Paul über Musik und seinen kreativen Schaffensprozess, spürt man das Interesse und die ständige Neugier in seinen Worten. Paul ist gebürtiger Berliner und absolvierte an einem Französischen Gymnasium in Tiergarten sein Abitur. Bis heute wohnt er in der Nähe. Seine Freundin und sein Kiez liegen ihm, neben dem Komponieren, am meisten am Herzen.

Er hat seit seiner Kindheit viele musikalische Stationen durchlaufen. Heute ist er ausgebildeter Komponist und Musiker bei dem Trio “Brandt Brauer Frick”, wirkt bei seinen beiden Labels The Gym Records und Doppelschall mit und widmet sich täglich der Musik.
Wir haben die Gelegenheit ergriffen und mit ihm gesprochen bevor er mit seinem Trio zu einem Festival nach Kanada muss. Er erzählte uns von seiner frühen Liebe zu Mozart, den heutigen Vergleichen mit Kraftwerk und wie es ist, wenn Kanye West über einen schreibt.

Gerade am komponieren, Paul?
Generell ja, heute nicht.

Arbeitest Du viel zu Hause?
Normalerweise schon. Bei dem letzten Projekt für “Brandt Brauer Frick” hatten wir allerdings ein Studio in Wiesbaden, weil die beiden anderen Jungs, Brandt und Brauer, aus der Ecke kommen. Da kann man sich dann noch besser zurückziehen und hat mehr Ruhe, ohne Internet und Stadtalltag. Eine Woche am Stück musizieren und zusammen rumhängen. Selbst an Tagen, wo ich zu Hause viel schaffe, komme ich im Studio ohne Internet viel weiter.

Wann und wo bist Du geboren?
1979 in West-Berlin geboren und in Schöneberg aufgewachsen.

Wann hast Du angefangen Musik zu machen?
Ich habe im Alter von 7 oder 8 Jahren mit dem Klavierunterricht angefangen. Wir hatten aber schon immer ein Klavier in der Wohnung stehen und mir hat das relativ früh Spaß gemacht ein bisschen darauf rum zu klimpern und zu gucken, was aus dem Instrument so rauskommt.

Wie bist Du zur Musik gekommen?
Meine Eltern sind keine aktiven Musiker, allerdings habe ich schon einen musikalischen Zweig in der Familie. Niemand hat mir die Musik direkt nahegelegt. Es war nie so, dass meine Eltern mich zu irgendwas gezwungen haben, aber das Klavier war da und so stieg langsam mein Interesse an der Musik. Im Endeffekt habe ich dann meine Eltern angefleht mich in den Klavierunterricht zu stecken. Wahrscheinlich eher ungewöhnlich. Meine Eltern haben sich natürlich über das Interesse gefreut.

Deine Eltern haben Dir also die Musik ermöglicht?
Ja. Sie haben vor allem gesehen, dass ich Spaß an der Sache habe und was dem Jungen Spaß macht, dass soll er mal machen. Als ich dann den Flohwalzer konnte, war ich bereit für den nächsten Schritt (lacht). Elterlicher Zwang spielte da nie eine Rolle, Gott sei Dank. Allerdings habe ich auch relativ früh angefangen Klavierunterricht zu geben und oft mitbekommen, wie Kinder zur Musik gezwungen werden. Das funktioniert in den meisten Fällen gar nicht.

Hast Du schnell gelernt?
Ich hatte damals eine sehr gute Klavierlehrerin, die mir schon ziemlich früh kleine Improvisationsmodelle gezeigt hat. Dadurch wurde bei mir schnell ein Nerv geweckt. Meine Eltern haben das auch schnell gemerkt, dass mich die Musik stark interessiert. Teilweise habe ich mich von alleine, vor der Schule ans Klavier gesetzt, weil es mir so viel Spaß gemacht hat. Es gab keine strikten Übungszeiten. Während der Pubertät habe ich dann angefangen Gitarre zu spielen, was größtenteils an meinem damaligen Musikgeschmack lag. Vorwiegend Metallica, Guns‘n‘Rose und Ähnliches.

Wie hat sich dein Können am Klavier entwickelt?
Das Lernen eines Instruments hat viel mit Motivation zu tun. Das Gefühl etwas zu „können“ habe ich eigentlich nie, weil man ein Instrument nie wirklich perfekt kann. Bei der Gitarre habe ich mit leichten Metallica-Akkorden begonnen und dann hat sich immer schnell ein Drang und Ehrgeiz entwickelt. Ich hab mich am Klavier teilweise schlecht gefühlt, wenn ich ein Stück nicht konnte. Heute ist es letztendlich so, dass ich einen anderen Fokus habe mit der Produktion und Komposition von Musik. Ich bin am Instrument kein Perfektionist mehr.

Vermisst Du heute „echte“ Musik, bzw. wie stehst Du zum Thema Digitalisierung?
Durch die Aufnahme mit dem Computer entstehen neue Herangehensweisen an die Produktion. Man ist in jedem Fall ein Stück weit flexibler geworden und kann schnell Akkorde und Melodien ausprobieren. Ich habe ganz klassisch mit dem Notenschreiben angefangen, um zu komponieren und das mache ich auch heute noch. Teilweise schreibe ich die Noten per Computer ab, aber das Komponieren von klassischer Musik mache ich, nach wie vor, mit der Hand. Da lenkt mich der Computer eher ab. Was mir am Komponieren per Hand, verglichen zum Erstellen elektronischer Musik am Computer, besonders gefällt, ist der Umstand, dass ich die Musik nicht die ganze Zeit höre. Ich höre die Musik dann ausschließlich in meinem Kopf, so kann ich die Stücke nicht überhören. Bei der digitalen Produktion überhört man Stücke schnell und kann oftmals keine Distanz mehr entwickeln.
Ich finde es toll, was mir der Computer für Chancen bietet, stehe aber der allgemeinen Entwicklung zur Digitalisierung nicht unkritisch gegenüber.

Was war Deine erste Musik, die Du bewusst gehört hast?
Damals mit sieben Jahren, als ich anfing Klavier zu spielen, hörte ich, abgesehen von den “Drei Fragezeichen”, schon Bach und Mozart. Damals noch auf Kassette. Das waren meine ersten eigenen Kassetten. Meine erste CD war “Make it” von Aerosmith und dann das ganze Zeug von Metallica und Guns’n’Roses.

Erzähl uns was von Deinen musikalischen Stationen.
In groben Etappen: Mit 12 Jahren kam die starke Rock- und Heavy Metal-Phase, was sich dann Richtung Blues und Jazz entwickelte. Auf dem Gymnasium, genauer genommen im Oberstufenraum, kam ich dann auf den Geschmack von französischem Hip Hop. Damals war das für mich ungewohnt, weil ich eigentlich ein typischer Musik “Nerd” war, der wenig von Sprechgesang hielt und es eher als plump empfand.
Peter, ein Freund von mir, hatte damals angefangen mit dem Computer Musik zu machen. So wurde ich mein eigener kleiner Diktator und übte nächtelang am Computer und habe ein paar Beats für befreundete Künstler aus dem Rap-Bereich produziert.

Wie läuft bei “Brandt Brauer Frick” die Produktion eines Stücks und die Ideenfindung ab?
Ganz schwierige Frage. Zum einen ist das ein andauernder Prozess, gepaart mit ganz spontanen Ideen. Die besten Ideen kommen beiläufig, wenn ich irgendwo Geräusche oder Melodien höre, die ich dann verfeinere und weiter ausbaue. Letztendlich entwickle ich oft das weiter, was ich in früheren Stücken gemacht habe. “Bei Brandt Brauer Frick”, das akkustische Techno-Trio bei dem ich involviert bin, experimentieren wir viel mit ganz unterschiedlichen Klängen und Objekten. Ein gutes Beispiel: Ein Lied ist so entstanden, dass einer von uns in der Ecke unseres Studios saß, an der Stelle wo wir den Bass normalerweise aufnehmen, und das Mikro war an. Er fing dann an seinem Hemd zu zupfen, das hat einen ganz speziellen Klang erzeugt, den ich über die Kopfhörer hörte. Das bassigste Element entstand durch das Zupfen am Hemd. Den Clap-Sound zu dem Stück haben wir durch das Klatschen auf unsere Bauchnabel erzeugt. Zu dritt am Mikro. Body Percussion ist auch nichts Neues. Alles, was man mit dem Körper an Klängen produziert, ist sehr speziell und wird viel verwendet. Im Studio improvisieren wir eine ganze Menge.

Wieviel Experiment steckt in Euren Stücken? Gibt es einen stringenten Spannungsbogen auf dem der Aufbau Eurer Stücke basiert?
Ich kategorisiere unsere Musik eigentlich ungern. Das Experimentelle steckt bei uns in der Musik, weil wir viel ausprobieren. Trotzdem sind wir sehr perfektionistisch in der Produktion, versuchen aber Ecken und Kanten zu behalten. Ein bisschen “Roughness” muss immer dabei sein.
Bezogen auf den Spannungsbogen ist der Song “Bop” ein gutes Beispiel. Da entspricht der Ablauf des Stücks stringent dem Schaffensprozess, wo wir nach und nach die Klänge und Instrumente übereinander gelegt haben.

Ihr, “Brandt Brauer Frick”, wurdet schon oft mit “Kraftwerk” verglichen. Wie stehst Du dazu?
Ich finde Kraftwerk toll. Das sind für mich Pioniere der elektronischen Musik, die viel bewegt haben. Mit Kraftwerk verglichen zu werden, ist für uns eine große Ehre. Ich glaube der Vergleich kommt von einer Art “Roboter-Ästhetik”, die wir in dem Bop-Video zeigen. Wir können nicht leugnen, dass dieser visuelle marionettenartige Auftritt eine gewisse Nähe zu den Auftritten von Kraftwerk hat. Unsere Musik ist, glaube ich, was ganz Anderes und das wird sich auch in Zukunft zeigen. Modisch planen wir eigentlich grundsätzlich gar nichts. Ein Redakteur von der Groove meinte mal wir sähen aus wie “schlecht angezogene Jazz-Musiker der 60er Jahre”. Das fand ich super.

Gibt es Musiker mit denen Du unbedingt mal zusammenarbeiten willst?
Da gibt es eine Menge. Bei manchen ist die Ehrfurcht allerdings so groß, dass ich wahrscheinlich im Bode versinken würde. Ein All-Time Favourite ist Gustav Mahler. Die neunte Symphonie von Mahler ist für mich das Unglaublichste, was ich je gehört habe. John Coltrane wäre auch ohne Frage jemand gewesen, dessen Musik einfach zu gut war. Ich glaube bei Leuten wie Coltrane kann man sagen, dass ich diese Musik einfach zu gut finde und daher zuviel Respekt vor einer Zusammenarbeit gehabt hätte. Mit ihm hätte ich keine Musik machen können. Matthew Herbert hat in seinen House-Sachen Ansätze, die ich sehr gut finde. Er kombiniert in manchen Stücken House- und Jazz Musik. Theo Parrish zählt auch zu den lebenden Künstlern, die ich wahnsinnig spannend finde.

Was steht bei “Brandt Brauer Frick” in Zukunft an?
Im August starten wir eine Zusammenarbeit mit einem norwegischen Schlagzeuger-Trio. Wir treten mit ihnen auch beim Oya Festival in Oslo auf. Dann haben wir für nächstes Frühjahr ein Projekt in der Gafta-Gallery (Grey Area Foundation for the Arts) in San Francisco geplant. Da geht es um eine performative Installation, wo sich sechs Musiker mit Akkustik-Instrumenten in sechs unterschiedlichen Räumen verteilen und in einem Hauptraum auf Monitoren zusammenfinden. Generell werden wir mit unserem Ensemble weiterhin daran arbeiten Techno-Musik in den Konzertsaal zu bringen. Ein übergeordnetes Ziel, eine Vision, die wir seit unseren Anfängen verfolgen.

Weg von der wild tanzenden Club-Crowd?
Ich liebe Situationen, wo ich nicht absehen kann, wie das Publikum reagiert. Bei dem Konzert im Berghain hatten wir einen wahnsinnigen Adrenalin-Schub, weil die Leute anfangs alle auf dem Boden saßen und wir nicht wussten, wie die Gäste auf unsere Musik reagieren werden. Sitz-Konzerte sind für uns eine interessante Angelegenheit und finden hoffentlich auch in Zukunft ihren Platz zwischen den Festivals.

Was läuft momentan bei Dir auf dem Rechner an Musik?
In letzter Zeit höre ich wieder mehr alte Sachen. Letzte Woche habe ich beispielsweise wieder angefangen Portishead zu hören. Ich liebe deren Musik. Ansonsten viele Musiker aus meinem Umfeld, die ich persönlich kenne.

Wie kam es zu dem Blog-Eintrag von Kanye West?
Das wissen wir auch nicht genau. Wahrscheinlich experimentiert er auch eine Menge und er hört viele Sachen aus Europa, wahrscheinlich nicht zuletzt wegen der Zusammenarbeit mit Daft Punk. Wir haben den Impact des Eintrags vor allem über die Klickraten auf youtube mitbekommen.

Wer mehr Paul Frick möchte, schaut sich das Video “Bop” auf youtube an und hält sich auf der Website des Labels Doppelschall auf dem Laufenden. Am 18. Juni spielt das Trio “Brandt Brauer Frick” im Arena Club. Das sollte man sich nicht entgehen lassen.

Text: Mirna Funk
Interview: Tim Seifert
Fotos: Ailine Liefeld

Advertisement