Esther Perbandt - Friends of Friends / Freunde von Freunden (FvF)

Esther Perbandt

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Berlin wurde in der Modewelt lange als Hauptstadt des abgerockten, punkigen Street Styles wahrgenommen. Seit einigen Jahren sorgt eine wachsende Szene aus jungen, talentierten Designern dafür, dass die einstige junge Wilde erwachsen wird.Esther Perbandt ist eine der Visionärsten unter ihnen und trägt heute bereits dazu bei, der Stadt eine eigene Handschrift zu geben. Die aktuelle Kollektion ist in Kooperation mit dem Mailänder Künstler und ihrem engen Freund Marco Pho Grassi entstanden. Esthers Arbeiten waren schon immer konzeptionell, ohne dabei den Bezug zum Alltag zu verlieren. Einflüsse aus der Kunst und ihrer Zeit in Moskau und Paris spiegeln sich heute noch in der Auswahl von Stoffen und Formen wieder. Es verwundert nicht, dass Esthers Mode gerade von der Kunst- und Architekturszene geschätzt und getragen wird. Die Models mit unschuldigem Rehblick und Wallawalla Mähne entsprachen da so wenig ihrem Frauenbild, dass sie ihnen bei der letzten Show kurzerhand Perücken verpasste.Wir treffen Esther und Marco in ihrem Atelier in Mitte, von wo aus wir uns auf den Weg zu Esthers Wohnung machen. Die kommt einer kleinen Revolution gleich, anstatt Flügeltüren und Dielen umgeben uns Betonwände und klare geometrische Formen – Willkommen in der Platte!

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Marco Pho Grassi?
Ich habe Marco das erste Mal vor eineinhalb Jahren getroffen. Damals lernte ich ihn über Jaybo kennen, mit dem ich zu diesem Zeitpunkt auch zusammen an einer Kollektion gearbeitet habe. Diese Zusammenarbeit war allerdings nicht so intensiv, wie die jetzt mit Marco heute.
Marco besuchte mich dann in meinem Atelier. Er mochte meine Stoffe sehr und hat sich außerdem durch einen meiner Drucke sehr an seine eigene Arbeit erinnert gefühlt. Er hat dann gesagt, dass er sich sehr freuen würde, einmal mit mir zusammenzuarbeiten. Ich war von diesem Angebot sofort sehr angetan, war aber mitten in einer Kollektion und so wurde das Ganze in die absehbare Zukunft verschoben. Marco kam dann noch öfters von Mailand nach Berlin, da er mehrere Ausstellungen hier in Berlin hatte. Letzten Sommer haben wir dann endlich Nägel mit Köpfen gemacht und ich bin für einige Tage nach Mailand geflogen, damit wir uns besser kennenlernen konnten. Wir haben also fünf Tage in seinem Atelier verbracht und nur darüber gesprochen, was wir zusammen verwirklichen könnten. Wir hatten die Idee, dass er ein Werk für die Kollektion malt und das dann als Print auf die Kleidung übertragen wird. Das wurde dann auch zu der zentralen Idee unserer Arbeit. Für mich war es aber dennoch wichtig, dass er nicht um die reine Adaption seines Werkes geht, das hätte mir nicht gereicht.

Hast du damals Gemeinsamkeiten in eurer beiden Herangehensweise an die eigene Arbeit bemerkt?
Das ist schwer zu sagen, weil unsere Arbeit so unterschiedlich ist. Mein Alltagsgeschäft ist so weit weg von dem was er tut, aber ich glaube auch nicht, dass es darum geht Gemeinsamkeiten in der Arbeitsweise zu haben. Es geht vielmehr darum, irgendwie auf der gleichen Welle zu sein. Dass kann die Art und Weise sein, wie man kommuniziert, wie man über Kunst denkt und spricht und da war definitiv eine Verbindung zwischen uns. Wir hatten ähnliche Ideen und Visionen, aber es war trotzdem eine Herausforderung. Ich würde mich selbst nicht unbedingt als Künstlerin bezeichnen, aber dennoch arbeite ich sehr kreativ und dann mit einem anderen Künstler zusammenzuarbeiten, das ergibt dann zwei sehr eigene Charakteren, die erstmal auf einen Nenner kommen müssen. Das hätte auch Probleme geben können, aber wir haben von vorne rein gemerkt, dass es klappen würde zwischen uns beiden. Seine Persönlichkeit und sein Werk haben mich sehr inspiriert und ich habe versucht, das auf die ganze Kollektion zu übertragen. Ich hab versucht seine Strukturen und dessen Dynamik zu übernehmen. Bei einer Weste habe ich elastische Bänder angebracht, die genau diese Idee aufgreifen. Ich habe auch Stoffe zerstört, genau so wie Marco Materialen für seine Bilder zerstört. Es ist also definitiv ein übergreifendes Konzept.

Wir habt ihr dieses gemeinsame Werk präsentiert?
Wir haben im Januar eine Show zusammen gemacht. Die Idee war, dass er während der Show ein Live Painting macht. Wir haben das tausendmal durchgesprochen und immer wieder verändert und aufs Neue verworfen. Wir hatten die Befürchtung, dass die Performance zu viel Aufmerksamkeit von der eigentlichen Präsentation der Kollektion ziehen würde. Marco hatte dann die Idee, hinter einer Plexiglasscheibe zu malen und die Farbe direkt auf das Glas aufzutragen.

Was ist mit dem Life Painting passiert?
Das ist ebenfalls in meinem Atelier, davon bin ich auch die stolze Besitzerin. Ich würde daraus gerne eine Art Lichtbox machen. Meine Wohnung ist wahrscheinlich etwas klein dafür, da muss ich mir also noch mal Gedanken drüber machen, wo ich das dann platziere.

Und hast du im Gegenzug auch etwas für ihn entworfen?
Oh, ja das ist aber noch in Arbeit. Aber das habe ich definitiv vor!

Kann man sagen, dass deine Mode schon immer durch Kunst beeinflusst war?
Mein Ansatz hat sich innerhalb der letzten Jahre etwas verändern, was sicherlich auch mit meiner Zusammenarbeit mit Jaybo zu tun hat. Ich war sehr stark von ihm und seiner Kunst beeinflusst und ich habe dadurch meinen Horizont wirklich sehr erweitert. Ich hab Mode nicht mehr länger nur im Modekontext gedacht, sondern meine Arbeit auch für andere Einflüsse geöffnet. Ich war aber dennoch nie die typische Fashiontussi, die immer nur an Mode gedacht hat. Ich arbeite auch nach wie vor mit Jaybo zusammen. Er ist für mich so etwas wie mein Art Director, der mir immer neuen Input gibt. Das schätze ich sehr.

Wolltest du schon immer Mode machen?
Ja, das kann man wohl so sagen. So richtig angefangen hat es so mit zwölf, da habe ich für mich entschieden, dass ich Mode machen will. Schon davor habe ich liebend gerne mit meiner Kleidung und meinem eigenen Aussehen herumexperimentiert. Ich wollte dann erst Architektin werden und dann Kostümbildnerin. Es hatte also immer etwas mit Stoffen und Formen zu tun. Ich war sehr schlecht in Mathe, also musste ich Architektur dann aufgeben. Aber es ist interessant zu sehen, dass meine Kleidung sehr oft und gerne von Architektinnen getragen wird, weil mein Stil nach wie vor etwas sehr konstruiertes und architektonisches hat.

Du bist zum studieren nach Frankreich gegangen?
Ich habe zunächst an der Universität der Künste studiert und habe dann mit dem European Master in Fashion and Textile Design hier in Berlin angefangen und bin dann nach Paris gegangen. In Paris habe ich dann einen anderen Professor kennengelernt vom Institute Français de la Mode, wo ich dann noch mal ein Jahr studiert habe.

Wie sah dein Werdegang dann aus? War es schon immer dein Ziel, dich mit einem eigenen Label selbstständig zu machen?
Ich habe dann erstmal bei einem großen Haus in Südfrankreich gearbeitet. Das war eine Marke, die in den 70er und 80er Jahren in Frankreich sehr angesagt war, dann aber mit der eigenen Kundschaft alt geworden ist. Ich habe dort in einem jungen Team von Designern gearbeitet. Unsere Aufgabe war es sozusagen, der Marke wieder ein junges Image zu verleihen. Als ich dann nach 15 Monaten nach Berlin zurückgekommen bin, habe ich mich eigentlich sofort selbstständig gemacht. Um zu überleben, habe ich nebenbei immer noch für große Marken als Freelancer gearbeitet.

Erzähl uns etwas aus dieser Anfangszeit. Wie schwierig war der Weg hin zu einem eigenen Label mit Laden und Angestellten?
Das war alles eigentlich gar nicht so richtig geplant. Ich wollte ich Berlin bleiben, so viel stand für mich fest. Ich wusste, wie schwer es ist hier einen Job zu bekommen und dachte mir, dann kann ich mich auch gleich selbstständig machen. Ich habe mich dann für die Premium Messe beworben und wurde genommen. Dann hatte ich zwei Monate Zeit, um meine erste Kollektion zu machen und habe mich sozusagen selbst ins kalte Wasser geworfen. Die ersten drei Saisons habe ich eigentlich kaum etwas verkauft. Wie das eben so ist, man fängt an und muss auch erstmal seinen eigenen Weg und seine eigene Handschrift finden. Irgendwann interessieren sich dann die ersten Läden für dich und du verkaufst deine ersten Stücke. Es ist ein sehr langer Weg, der aus vielen kleinen Schritten besteht. Vor zweieinhalb Jahren habe ich dann aber doch einen etwas größeren Schritt gemacht und meinen Laden in Mitte eröffnet.

Kannst du dich mit dem Label ‘Avantgarde Designerin’ identifizieren oder ist das eine Bezeichnung, die dir von der Modewelt aufoktroyiert wurde?
Ich bevorzuge es wenn andere Leute das zu mir sagen, mich selbst als Avantgarde zu bezeichnen wäre irgendwie komisch. Ich habe immer versucht, die Dinge etwas anders zu machen als alle anderen. Ich habe da eine sehr spezielle Vision der Frau, die ich einkleiden möchte. Das hat sicherlich etwas mit Avantgarde zu tun. Ich versuche, eine sehr moderne Form von Femininität zu kreieren. Wenn jemand also so über mich schreibt, dann ehrt mich das eigentlich sehr.

Ist das er Grund, warum du deinen Models für die letzten Shows Perücken verpasst hast?
Ich war oftmals nicht zufrieden mit Fotoshootings oder Shows. Meine Mode ist für Frauen mit einer starken Persönlichkeit, die ihr eigenes Geld verdienen und die eine eigene starke Vorstellung von der Rolle der Frau in unserer heutigen Gesellschaft haben. Dann sehe ich meine Kleidung an diesen sechzehnjährigen wunderschönen aber doch oftmals langweilig aussehenden Mädchen. Das passte einfach nie und hat mich enttäuscht. Auf der anderen Seite wollte ich auch nicht so konzeptionell sein, dass ich auf einmal Frauen von der Strasse wähle, die sich nicht vor der Kamera bewegen können, geschweige denn über den Catwalk laufen können. Das sieht dann auch komisch aus. Ich habe also angefangen den Models Perücken aufzusetzen, die den gleichen Haarschnitt haben wie ich. Dieser Haarschnitt hat sich zu so etwas wie meinem Markenzeichen entwickelt.

Gibt es sonst noch Aspekte, die dich wirklich nerven an der Modewelt bzw. die du unglaublich wertschätzt?
Hmmm … Ich würde eigentlich nicht sagen, dass ich etwas hasse. Es kommt sehr stark darauf an, wie man selbst damit umgeht. Es gibt so viele Menschen, die in diesem so genannten Fashion Business sind. Du kannst dich dort hindurch bewegen und dabei nur die richtigen Menschen kennenlernen, die dich inspirieren und sich positiv auf deine Arbeit auswirken. Natürlich gibt es auch viele oberflächliche Leute, aber die triffst du höchstwahrscheinlich in jedem anderen Beruf genau so. Was ich wirklich nicht mag, ist diese Angewohnheit jedem Trend hinterherzulaufen und alles sofort zu hypen nur weil es neu ist. Das verstehe ich einfach nicht. Ich mache Mode für Menschen, die das ähnlich sehen wie ich.

Wie siehst du die Rolle von Berlin als Modestandort?
Das Problem von Berlin ist, dass Berlin immer noch versucht so wie Mailand oder Paris zu sein. Das wird aber nie passieren. Ich sehe schon das Potential von Berlin aber es muss den Mut haben sich ein eigenes Profil zuzulegen. Ich könnte niemals in einer anderen Stadt arbeiten, das wäre für mich nicht möglich. Ein Laden zu führen, so wie ich ihn habe, das ist wahrscheinlich nur in Berlin möglich. Das ist sehr inspirierend, aber es gibt da auch eine andere Seite. Du verkaufst als Designer nicht in Berlin, weil die Menschen einfach nicht das Geld haben. Vielleicht dauert das einfach noch ein paar Jahre.

Du bist in West-Berlin aufgewachsen. Würdest du sagen deine Mode ist stark von der Stadt beeinflusst?
Ja, definitiv aber das ist nur ein Aspekt meiner Arbeit. Ich bin auch durch andere Umgebungen beeinflusst. 1999 war ich für drei Monate in Moskau und habe dort mit einem Künstler zusammengearbeitet, der sehr stark von der russischen Avantgarde der 20er Jahre beeinflusst war. Das war kurz bevor ich meinen Abschluss gemacht habe. Dieser Konstruktivismus hat mich damals sehr stark beeinflusst und das sieht man wahrscheinlich heute noch. Ich bin also nicht typisch Berlin, da meine Mode natürlich auch noch aus meiner Zeit in Paris beeinflusst ist. Der Berliner Stil hat sich in den letzten Jahren aber auch weiterentwickelt. Früher wurde Berlin mit Streetstyle gleichgesetzt, immer mit ein paar punkigen, abgerockten Einflüssen. Mittlerweile ist der Berliner Stil eher sophisticated.

Gibt es ein Kleidungsstück aus deiner Kindheit, was dich heute noch begleitet?
Ja, das ist lustig. Das Shirt auf dem Kleiderhaken dort ist nämlich genau dieses Teil. Es ist wirklich mein absolutes Lieblingsteil. Es hat schwarze, gelbe, rote und blaue Streifen und ist das erste Kleidungsstück an das ich mich bewusst erinnere. Ich habe das so mit drei Jahren getragen und es damals aus unserer Verkleidungskiste geangelt. Es ist zwar nur ein Streifenshirt, aber es war damals wirklich sehr wichtig für mich und ich bin sehr glücklich, dass ich es heute noch besitze.

Viele der Leute, die wir interviewen leben in großzügigen Altbauwohnungen. Erzähl uns was dich in die Platte verschlagen hat?
Yeaaah! Ich habe bisher auch immer in sehr schönen Altbauwohnungen gelebt. Ich bin in einer wunderschönen Altbauwohnung in Charlottenburg aufgewachsen. Ja, gute Frage wie kam das eigentlich? Das war eigentlich mehr ein Zufall. Ich habe nach einer Wohnung gesucht und hab gehört, dass diese Wohnung hier frei ist. Erst war ich auch ziemlich skeptisch, ob ich in einer Wohnung mit solchen Wänden und Decken überleben kann. Ich hatte dann aber ziemlich schnell sehr viele Ideen, was man alles mit der Wohnung machen könnte. Es war extrem hässlich, als ich hier eingezogen bin. Hier lag so ein Plastikboden in Holzoptik und die Tapeten waren ebenfalls grässlich. Ich hab also zu aller erst die Tapete abgerissen, um die Struktur der Wände freizulegen und eine Wand musste auch ganz dran glauben. Für mich ist es eine schöne Veränderung, es fühlt sich an wie eine kleine Höhle, sehr clean und pur. Es beeinflusst mich auch sehr in meiner Arbeit, alles ist weiß und somit ein toller Gegenpart zu meinen dunklen Kollektionen.

Du hast dieses Jahr das aller erste Mal auch eine Männerkollektion gemacht, wie kam es dazu?
Ich habe schon immer davon geträumt eine Männerkollektion zu machen, da meine Frauenlinie auch sehr von Männermode inspiriert ist. Ich weiß auch, dass in Japan sehr viele Männer meine Frauenteile kaufen. Ich hatte immer einen riesigen Respekt davor, eine Männerkollektion zu machen. Du darfst nicht zu kreativ sein, sonst wird es schnell nur von schwulen Männern getragen und wenn du es zu klassisch machst, dann kannst du es genau so gut woanders kaufen. Ich war mir nicht sicher, ob ich in der Männerkollektion den gleichen nonchalanten, coolen aber dennoch relaxten Stil hinbekomme. Es ist ein erster Versuch und ich weiß, dass es noch nicht perfekt ist. Das Feedback war bisher aber sehr gut und ich freue mich darauf weiterzumachen, auch wenn ich keine Revolution in Sachen Männermode anstrebe.

Danke für das Interview, verrätst du uns zum Abschluss noch einen deiner Lieblingsplätze in Berlin?
Hm, mein Bett, mein zu Hause… Also wenn ich wirklich schlecht drauf bin fahre ich in den Grunewald und mache einen langen Spaziergang. Eigentlich laufe ich aber nur jeden Tag die eineinhalb Minuten von meiner Platte ins Atelier und abends wieder zurück. Ich hab nicht wirklich einen Ort, wo ich immer wieder hingehe. Ich mag Überraschungen, egal wo sie auftauchen.

Esthers Laden und Showroom befindet sich in der Almstadtstrasse 3 in Mitte. Mehr Informationen zu der aktuellen Kollektion findet ihr unter http://www.estherperbandt.com/.

Interview: Antonia Märzhäuser
Fotos: Philipp Langenheim
Video: Rogier PostmaWie kam es zu der Zusammenarbeit mit Marco Pho Grassi?
Ich habe Marco das erste Mal vor eineinhalb Jahren getroffen. Damals lernte ich ihn über Jaybo kennen, mit dem ich zu diesem Zeitpunkt auch zusammen an einer Kollektion gearbeitet habe. Diese Zusammenarbeit war allerdings nicht so intensiv, wie die jetzt mit Marco heute.
Marco besuchte mich dann in meinem Atelier. Er mochte meine Stoffe sehr und hat sich außerdem durch einen meiner Drucke sehr an seine eigene Arbeit erinnert gefühlt. Er hat dann gesagt, dass er sich sehr freuen würde, einmal mit mir zusammenzuarbeiten. Ich war von diesem Angebot sofort sehr angetan, war aber mitten in einer Kollektion und so wurde das Ganze in die absehbare Zukunft verschoben. Marco kam dann noch öfters von Mailand nach Berlin, da er mehrere Ausstellungen hier in Berlin hatte. Letzten Sommer haben wir dann endlich Nägel mit Köpfen gemacht und ich bin für einige Tage nach Mailand geflogen, damit wir uns besser kennenlernen konnten. Wir haben also fünf Tage in seinem Atelier verbracht und nur darüber gesprochen, was wir zusammen verwirklichen könnten. Wir hatten die Idee, dass er ein Werk für die Kollektion malt und das dann als Print auf die Kleidung übertragen wird. Das wurde dann auch zu der zentralen Idee unserer Arbeit. Für mich war es aber dennoch wichtig, dass er nicht um die reine Adaption seines Werkes geht, das hätte mir nicht gereicht.

Hast du damals Gemeinsamkeiten in eurer beiden Herangehensweise an die eigene Arbeit bemerkt?
Das ist schwer zu sagen, weil unsere Arbeit so unterschiedlich ist. Mein Alltagsgeschäft ist so weit weg von dem was er tut, aber ich glaube auch nicht, dass es darum geht Gemeinsamkeiten in der Arbeitsweise zu haben. Es geht vielmehr darum, irgendwie auf der gleichen Welle zu sein. Dass kann die Art und Weise sein, wie man kommuniziert, wie man über Kunst denkt und spricht und da war definitiv eine Verbindung zwischen uns. Wir hatten ähnliche Ideen und Visionen, aber es war trotzdem eine Herausforderung. Ich würde mich selbst nicht unbedingt als Künstlerin bezeichnen, aber dennoch arbeite ich sehr kreativ und dann mit einem anderen Künstler zusammenzuarbeiten, das ergibt dann zwei sehr eigene Charakteren, die erstmal auf einen Nenner kommen müssen. Das hätte auch Probleme geben können, aber wir haben von vorne rein gemerkt, dass es klappen würde zwischen uns beiden. Seine Persönlichkeit und sein Werk haben mich sehr inspiriert und ich habe versucht, das auf die ganze Kollektion zu übertragen. Ich hab versucht seine Strukturen und dessen Dynamik zu übernehmen. Bei einer Weste habe ich elastische Bänder angebracht, die genau diese Idee aufgreifen. Ich habe auch Stoffe zerstört, genau so wie Marco Materialen für seine Bilder zerstört. Es ist also definitiv ein übergreifendes Konzept.

Wir habt ihr dieses gemeinsame Werk präsentiert?
Wir haben im Januar eine Show zusammen gemacht. Die Idee war, dass er während der Show ein Live Painting macht. Wir haben das tausendmal durchgesprochen und immer wieder verändert und aufs Neue verworfen. Wir hatten die Befürchtung, dass die Performance zu viel Aufmerksamkeit von der eigentlichen Präsentation der Kollektion ziehen würde. Marco hatte dann die Idee, hinter einer Plexiglasscheibe zu malen und die Farbe direkt auf das Glas aufzutragen.

Was ist mit dem Life Painting passiert?
Das ist ebenfalls in meinem Atelier, davon bin ich auch die stolze Besitzerin. Ich würde daraus gerne eine Art Lichtbox machen. Meine Wohnung ist wahrscheinlich etwas klein dafür, da muss ich mir also noch mal Gedanken drüber machen, wo ich das dann platziere.

Und hast du im Gegenzug auch etwas für ihn entworfen?
Oh, ja das ist aber noch in Arbeit. Aber das habe ich definitiv vor!

Kann man sagen, dass deine Mode schon immer durch Kunst beeinflusst war?
Mein Ansatz hat sich innerhalb der letzten Jahre etwas verändern, was sicherlich auch mit meiner Zusammenarbeit mit Jaybo zu tun hat. Ich war sehr stark von ihm und seiner Kunst beeinflusst und ich habe dadurch meinen Horizont wirklich sehr erweitert. Ich hab Mode nicht mehr länger nur im Modekontext gedacht, sondern meine Arbeit auch für andere Einflüsse geöffnet. Ich war aber dennoch nie die typische Fashiontussi, die immer nur an Mode gedacht hat. Ich arbeite auch nach wie vor mit Jaybo zusammen. Er ist für mich so etwas wie mein Art Director, der mir immer neuen Input gibt. Das schätze ich sehr.

Wolltest du schon immer Mode machen?
Ja, das kann man wohl so sagen. So richtig angefangen hat es so mit zwölf, da habe ich für mich entschieden, dass ich Mode machen will. Schon davor habe ich liebend gerne mit meiner Kleidung und meinem eigenen Aussehen herumexperimentiert. Ich wollte dann erst Architektin werden und dann Kostümbildnerin. Es hatte also immer etwas mit Stoffen und Formen zu tun. Ich war sehr schlecht in Mathe, also musste ich Architektur dann aufgeben. Aber es ist interessant zu sehen, dass meine Kleidung sehr oft und gerne von Architektinnen getragen wird, weil mein Stil nach wie vor etwas sehr konstruiertes und architektonisches hat.

Du bist zum studieren nach Frankreich gegangen?
Ich habe zunächst an der Universität der Künste studiert und habe dann mit dem European Master in Fashion and Textile Design hier in Berlin angefangen und bin dann nach Paris gegangen. In Paris habe ich dann einen anderen Professor kennengelernt vom Institute Français de la Mode, wo ich dann noch mal ein Jahr studiert habe.

Wie sah dein Werdegang dann aus? War es schon immer dein Ziel, dich mit einem eigenen Label selbstständig zu machen?
Ich habe dann erstmal bei einem großen Haus in Südfrankreich gearbeitet. Das war eine Marke, die in den 70er und 80er Jahren in Frankreich sehr angesagt war, dann aber mit der eigenen Kundschaft alt geworden ist. Ich habe dort in einem jungen Team von Designern gearbeitet. Unsere Aufgabe war es sozusagen, der Marke wieder ein junges Image zu verleihen. Als ich dann nach 15 Monaten nach Berlin zurückgekommen bin, habe ich mich eigentlich sofort selbstständig gemacht. Um zu überleben, habe ich nebenbei immer noch für große Marken als Freelancer gearbeitet.

Erzähl uns etwas aus dieser Anfangszeit. Wie schwierig war der Weg hin zu einem eigenen Label mit Laden und Angestellten?
Das war alles eigentlich gar nicht so richtig geplant. Ich wollte ich Berlin bleiben, so viel stand für mich fest. Ich wusste, wie schwer es ist hier einen Job zu bekommen und dachte mir, dann kann ich mich auch gleich selbstständig machen. Ich habe mich dann für die Premium Messe beworben und wurde genommen. Dann hatte ich zwei Monate Zeit, um meine erste Kollektion zu machen und habe mich sozusagen selbst ins kalte Wasser geworfen. Die ersten drei Saisons habe ich eigentlich kaum etwas verkauft. Wie das eben so ist, man fängt an und muss auch erstmal seinen eigenen Weg und seine eigene Handschrift finden. Irgendwann interessieren sich dann die ersten Läden für dich und du verkaufst deine ersten Stücke. Es ist ein sehr langer Weg, der aus vielen kleinen Schritten besteht. Vor zweieinhalb Jahren habe ich dann aber doch einen etwas größeren Schritt gemacht und meinen Laden in Mitte eröffnet.

Kannst du dich mit dem Label ‘Avantgarde Designerin’ identifizieren oder ist das eine Bezeichnung, die dir von der Modewelt aufoktroyiert wurde?
Ich bevorzuge es wenn andere Leute das zu mir sagen, mich selbst als Avantgarde zu bezeichnen wäre irgendwie komisch. Ich habe immer versucht, die Dinge etwas anders zu machen als alle anderen. Ich habe da eine sehr spezielle Vision der Frau, die ich einkleiden möchte. Das hat sicherlich etwas mit Avantgarde zu tun. Ich versuche, eine sehr moderne Form von Femininität zu kreieren. Wenn jemand also so über mich schreibt, dann ehrt mich das eigentlich sehr.

Ist das er Grund, warum du deinen Models für die letzten Shows Perücken verpasst hast?
Ich war oftmals nicht zufrieden mit Fotoshootings oder Shows. Meine Mode ist für Frauen mit einer starken Persönlichkeit, die ihr eigenes Geld verdienen und die eine eigene starke Vorstellung von der Rolle der Frau in unserer heutigen Gesellschaft haben. Dann sehe ich meine Kleidung an diesen sechzehnjährigen wunderschönen aber doch oftmals langweilig aussehenden Mädchen. Das passte einfach nie und hat mich enttäuscht. Auf der anderen Seite wollte ich auch nicht so konzeptionell sein, dass ich auf einmal Frauen von der Strasse wähle, die sich nicht vor der Kamera bewegen können, geschweige denn über den Catwalk laufen können. Das sieht dann auch komisch aus. Ich habe also angefangen den Models Perücken aufzusetzen, die den gleichen Haarschnitt haben wie ich. Dieser Haarschnitt hat sich zu so etwas wie meinem Markenzeichen entwickelt.

Gibt es sonst noch Aspekte, die dich wirklich nerven an der Modewelt bzw. die du unglaublich wertschätzt?
Hmmm … Ich würde eigentlich nicht sagen, dass ich etwas hasse. Es kommt sehr stark darauf an, wie man selbst damit umgeht. Es gibt so viele Menschen, die in diesem so genannten Fashion Business sind. Du kannst dich dort hindurch bewegen und dabei nur die richtigen Menschen kennenlernen, die dich inspirieren und sich positiv auf deine Arbeit auswirken. Natürlich gibt es auch viele oberflächliche Leute, aber die triffst du höchstwahrscheinlich in jedem anderen Beruf genau so. Was ich wirklich nicht mag, ist diese Angewohnheit jedem Trend hinterherzulaufen und alles sofort zu hypen nur weil es neu ist. Das verstehe ich einfach nicht. Ich mache Mode für Menschen, die das ähnlich sehen wie ich.

Wie siehst du die Rolle von Berlin als Modestandort?
Das Problem von Berlin ist, dass Berlin immer noch versucht so wie Mailand oder Paris zu sein. Das wird aber nie passieren. Ich sehe schon das Potential von Berlin aber es muss den Mut haben sich ein eigenes Profil zuzulegen. Ich könnte niemals in einer anderen Stadt arbeiten, das wäre für mich nicht möglich. Ein Laden zu führen, so wie ich ihn habe, das ist wahrscheinlich nur in Berlin möglich. Das ist sehr inspirierend, aber es gibt da auch eine andere Seite. Du verkaufst als Designer nicht in Berlin, weil die Menschen einfach nicht das Geld haben. Vielleicht dauert das einfach noch ein paar Jahre.

Du bist in West-Berlin aufgewachsen. Würdest du sagen deine Mode ist stark von der Stadt beeinflusst?
Ja, definitiv aber das ist nur ein Aspekt meiner Arbeit. Ich bin auch durch andere Umgebungen beeinflusst. 1999 war ich für drei Monate in Moskau und habe dort mit einem Künstler zusammengearbeitet, der sehr stark von der russischen Avantgarde der 20er Jahre beeinflusst war. Das war kurz bevor ich meinen Abschluss gemacht habe. Dieser Konstruktivismus hat mich damals sehr stark beeinflusst und das sieht man wahrscheinlich heute noch. Ich bin also nicht typisch Berlin, da meine Mode natürlich auch noch aus meiner Zeit in Paris beeinflusst ist. Der Berliner Stil hat sich in den letzten Jahren aber auch weiterentwickelt. Früher wurde Berlin mit Streetstyle gleichgesetzt, immer mit ein paar punkigen, abgerockten Einflüssen. Mittlerweile ist der Berliner Stil eher sophisticated.

Gibt es ein Kleidungsstück aus deiner Kindheit, was dich heute noch begleitet?
Ja, das ist lustig. Das Shirt auf dem Kleiderhaken dort ist nämlich genau dieses Teil. Es ist wirklich mein absolutes Lieblingsteil. Es hat schwarze, gelbe, rote und blaue Streifen und ist das erste Kleidungsstück an das ich mich bewusst erinnere. Ich habe das so mit drei Jahren getragen und es damals aus unserer Verkleidungskiste geangelt. Es ist zwar nur ein Streifenshirt, aber es war damals wirklich sehr wichtig für mich und ich bin sehr glücklich, dass ich es heute noch besitze.

Viele der Leute, die wir interviewen leben in großzügigen Altbauwohnungen. Erzähl uns was dich in die Platte verschlagen hat?
Yeaaah! Ich habe bisher auch immer in sehr schönen Altbauwohnungen gelebt. Ich bin in einer wunderschönen Altbauwohnung in Charlottenburg aufgewachsen. Ja, gute Frage wie kam das eigentlich? Das war eigentlich mehr ein Zufall. Ich habe nach einer Wohnung gesucht und hab gehört, dass diese Wohnung hier frei ist. Erst war ich auch ziemlich skeptisch, ob ich in einer Wohnung mit solchen Wänden und Decken überleben kann. Ich hatte dann aber ziemlich schnell sehr viele Ideen, was man alles mit der Wohnung machen könnte. Es war extrem hässlich, als ich hier eingezogen bin. Hier lag so ein Plastikboden in Holzoptik und die Tapeten waren ebenfalls grässlich. Ich hab also zu aller erst die Tapete abgerissen, um die Struktur der Wände freizulegen und eine Wand musste auch ganz dran glauben. Für mich ist es eine schöne Veränderung, es fühlt sich an wie eine kleine Höhle, sehr clean und pur. Es beeinflusst mich auch sehr in meiner Arbeit, alles ist weiß und somit ein toller Gegenpart zu meinen dunklen Kollektionen.

Du hast dieses Jahr das aller erste Mal auch eine Männerkollektion gemacht, wie kam es dazu?
Ich habe schon immer davon geträumt eine Männerkollektion zu machen, da meine Frauenlinie auch sehr von Männermode inspiriert ist. Ich weiß auch, dass in Japan sehr viele Männer meine Frauenteile kaufen. Ich hatte immer einen riesigen Respekt davor, eine Männerkollektion zu machen. Du darfst nicht zu kreativ sein, sonst wird es schnell nur von schwulen Männern getragen und wenn du es zu klassisch machst, dann kannst du es genau so gut woanders kaufen. Ich war mir nicht sicher, ob ich in der Männerkollektion den gleichen nonchalanten, coolen aber dennoch relaxten Stil hinbekomme. Es ist ein erster Versuch und ich weiß, dass es noch nicht perfekt ist. Das Feedback war bisher aber sehr gut und ich freue mich darauf weiterzumachen, auch wenn ich keine Revolution in Sachen Männermode anstrebe.

Danke für das Interview, verrätst du uns zum Abschluss noch einen deiner Lieblingsplätze in Berlin?
Hm, mein Bett, mein zu Hause… Also wenn ich wirklich schlecht drauf bin fahre ich in den Grunewald und mache einen langen Spaziergang. Eigentlich laufe ich aber nur jeden Tag die eineinhalb Minuten von meiner Platte ins Atelier und abends wieder zurück. Ich hab nicht wirklich einen Ort, wo ich immer wieder hingehe. Ich mag Überraschungen, egal wo sie auftauchen.

Esthers Laden und Showroom befindet sich in der Almstadtstrasse 3 in Mitte. Mehr Informationen zu der aktuellen Kollektion findet ihr unter http://www.estherperbandt.com/.

Interview: Antonia Märzhäuser
Fotos: Philipp Langenheim
Video: Rogier Postma

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Marco Pho Grassi?
Ich habe Marco das erste Mal vor eineinhalb Jahren getroffen. Damals lernte ich ihn über Jaybo kennen, mit dem ich zu diesem Zeitpunkt auch zusammen an einer Kollektion gearbeitet habe. Diese Zusammenarbeit war allerdings nicht so intensiv, wie die jetzt mit Marco heute.
Marco besuchte mich dann in meinem Atelier. Er mochte meine Stoffe sehr und hat sich außerdem durch einen meiner Drucke sehr an seine eigene Arbeit erinnert gefühlt. Er hat dann gesagt, dass er sich sehr freuen würde, einmal mit mir zusammenzuarbeiten. Ich war von diesem Angebot sofort sehr angetan, war aber mitten in einer Kollektion und so wurde das Ganze in die absehbare Zukunft verschoben. Marco kam dann noch öfters von Mailand nach Berlin, da er mehrere Ausstellungen hier in Berlin hatte. Letzten Sommer haben wir dann endlich Nägel mit Köpfen gemacht und ich bin für einige Tage nach Mailand geflogen, damit wir uns besser kennenlernen konnten. Wir haben also fünf Tage in seinem Atelier verbracht und nur darüber gesprochen, was wir zusammen verwirklichen könnten. Wir hatten die Idee, dass er ein Werk für die Kollektion malt und das dann als Print auf die Kleidung übertragen wird. Das wurde dann auch zu der zentralen Idee unserer Arbeit. Für mich war es aber dennoch wichtig, dass er nicht um die reine Adaption seines Werkes geht, das hätte mir nicht gereicht.

Hast du damals Gemeinsamkeiten in eurer beiden Herangehensweise an die eigene Arbeit bemerkt?
Das ist schwer zu sagen, weil unsere Arbeit so unterschiedlich ist. Mein Alltagsgeschäft ist so weit weg von dem was er tut, aber ich glaube auch nicht, dass es darum geht Gemeinsamkeiten in der Arbeitsweise zu haben. Es geht vielmehr darum, irgendwie auf der gleichen Welle zu sein. Dass kann die Art und Weise sein, wie man kommuniziert, wie man über Kunst denkt und spricht und da war definitiv eine Verbindung zwischen uns. Wir hatten ähnliche Ideen und Visionen, aber es war trotzdem eine Herausforderung. Ich würde mich selbst nicht unbedingt als Künstlerin bezeichnen, aber dennoch arbeite ich sehr kreativ und dann mit einem anderen Künstler zusammenzuarbeiten, das ergibt dann zwei sehr eigene Charakteren, die erstmal auf einen Nenner kommen müssen. Das hätte auch Probleme geben können, aber wir haben von vorne rein gemerkt, dass es klappen würde zwischen uns beiden. Seine Persönlichkeit und sein Werk haben mich sehr inspiriert und ich habe versucht, das auf die ganze Kollektion zu übertragen. Ich hab versucht seine Strukturen und dessen Dynamik zu übernehmen. Bei einer Weste habe ich elastische Bänder angebracht, die genau diese Idee aufgreifen. Ich habe auch Stoffe zerstört, genau so wie Marco Materialen für seine Bilder zerstört. Es ist also definitiv ein übergreifendes Konzept.

Wir habt ihr dieses gemeinsame Werk präsentiert?
Wir haben im Januar eine Show zusammen gemacht. Die Idee war, dass er während der Show ein Live Painting macht. Wir haben das tausendmal durchgesprochen und immer wieder verändert und aufs Neue verworfen. Wir hatten die Befürchtung, dass die Performance zu viel Aufmerksamkeit von der eigentlichen Präsentation der Kollektion ziehen würde. Marco hatte dann die Idee, hinter einer Plexiglasscheibe zu malen und die Farbe direkt auf das Glas aufzutragen.

Was ist mit dem Life Painting passiert?
Das ist ebenfalls in meinem Atelier, davon bin ich auch die stolze Besitzerin. Ich würde daraus gerne eine Art Lichtbox machen. Meine Wohnung ist wahrscheinlich etwas klein dafür, da muss ich mir also noch mal Gedanken drüber machen, wo ich das dann platziere.

Und hast du im Gegenzug auch etwas für ihn entworfen?
Oh, ja das ist aber noch in Arbeit. Aber das habe ich definitiv vor!

Kann man sagen, dass deine Mode schon immer durch Kunst beeinflusst war?
Mein Ansatz hat sich innerhalb der letzten Jahre etwas verändern, was sicherlich auch mit meiner Zusammenarbeit mit Jaybo zu tun hat. Ich war sehr stark von ihm und seiner Kunst beeinflusst und ich habe dadurch meinen Horizont wirklich sehr erweitert. Ich hab Mode nicht mehr länger nur im Modekontext gedacht, sondern meine Arbeit auch für andere Einflüsse geöffnet. Ich war aber dennoch nie die typische Fashiontussi, die immer nur an Mode gedacht hat. Ich arbeite auch nach wie vor mit Jaybo zusammen. Er ist für mich so etwas wie mein Art Director, der mir immer neuen Input gibt. Das schätze ich sehr.

Wolltest du schon immer Mode machen?
Ja, das kann man wohl so sagen. So richtig angefangen hat es so mit zwölf, da habe ich für mich entschieden, dass ich Mode machen will. Schon davor habe ich liebend gerne mit meiner Kleidung und meinem eigenen Aussehen herumexperimentiert. Ich wollte dann erst Architektin werden und dann Kostümbildnerin. Es hatte also immer etwas mit Stoffen und Formen zu tun. Ich war sehr schlecht in Mathe, also musste ich Architektur dann aufgeben. Aber es ist interessant zu sehen, dass meine Kleidung sehr oft und gerne von Architektinnen getragen wird, weil mein Stil nach wie vor etwas sehr konstruiertes und architektonisches hat.

Du bist zum studieren nach Frankreich gegangen?
Ich habe zunächst an der Universität der Künste studiert und habe dann mit dem European Master in Fashion and Textile Design hier in Berlin angefangen und bin dann nach Paris gegangen. In Paris habe ich dann einen anderen Professor kennengelernt vom Institute Français de la Mode, wo ich dann noch mal ein Jahr studiert habe.

Wie sah dein Werdegang dann aus? War es schon immer dein Ziel, dich mit einem eigenen Label selbstständig zu machen?
Ich habe dann erstmal bei einem großen Haus in Südfrankreich gearbeitet. Das war eine Marke, die in den 70er und 80er Jahren in Frankreich sehr angesagt war, dann aber mit der eigenen Kundschaft alt geworden ist. Ich habe dort in einem jungen Team von Designern gearbeitet. Unsere Aufgabe war es sozusagen, der Marke wieder ein junges Image zu verleihen. Als ich dann nach 15 Monaten nach Berlin zurückgekommen bin, habe ich mich eigentlich sofort selbstständig gemacht. Um zu überleben, habe ich nebenbei immer noch für große Marken als Freelancer gearbeitet.

Erzähl uns etwas aus dieser Anfangszeit. Wie schwierig war der Weg hin zu einem eigenen Label mit Laden und Angestellten?
Das war alles eigentlich gar nicht so richtig geplant. Ich wollte ich Berlin bleiben, so viel stand für mich fest. Ich wusste, wie schwer es ist hier einen Job zu bekommen und dachte mir, dann kann ich mich auch gleich selbstständig machen. Ich habe mich dann für die Premium Messe beworben und wurde genommen. Dann hatte ich zwei Monate Zeit, um meine erste Kollektion zu machen und habe mich sozusagen selbst ins kalte Wasser geworfen. Die ersten drei Saisons habe ich eigentlich kaum etwas verkauft. Wie das eben so ist, man fängt an und muss auch erstmal seinen eigenen Weg und seine eigene Handschrift finden. Irgendwann interessieren sich dann die ersten Läden für dich und du verkaufst deine ersten Stücke. Es ist ein sehr langer Weg, der aus vielen kleinen Schritten besteht. Vor zweieinhalb Jahren habe ich dann aber doch einen etwas größeren Schritt gemacht und meinen Laden in Mitte eröffnet.

Kannst du dich mit dem Label ‘Avantgarde Designerin’ identifizieren oder ist das eine Bezeichnung, die dir von der Modewelt aufoktroyiert wurde?
Ich bevorzuge es wenn andere Leute das zu mir sagen, mich selbst als Avantgarde zu bezeichnen wäre irgendwie komisch. Ich habe immer versucht, die Dinge etwas anders zu machen als alle anderen. Ich habe da eine sehr spezielle Vision der Frau, die ich einkleiden möchte. Das hat sicherlich etwas mit Avantgarde zu tun. Ich versuche, eine sehr moderne Form von Femininität zu kreieren. Wenn jemand also so über mich schreibt, dann ehrt mich das eigentlich sehr.

Ist das er Grund, warum du deinen Models für die letzten Shows Perücken verpasst hast?
Ich war oftmals nicht zufrieden mit Fotoshootings oder Shows. Meine Mode ist für Frauen mit einer starken Persönlichkeit, die ihr eigenes Geld verdienen und die eine eigene starke Vorstellung von der Rolle der Frau in unserer heutigen Gesellschaft haben. Dann sehe ich meine Kleidung an diesen sechzehnjährigen wunderschönen aber doch oftmals langweilig aussehenden Mädchen. Das passte einfach nie und hat mich enttäuscht. Auf der anderen Seite wollte ich auch nicht so konzeptionell sein, dass ich auf einmal Frauen von der Strasse wähle, die sich nicht vor der Kamera bewegen können, geschweige denn über den Catwalk laufen können. Das sieht dann auch komisch aus. Ich habe also angefangen den Models Perücken aufzusetzen, die den gleichen Haarschnitt haben wie ich. Dieser Haarschnitt hat sich zu so etwas wie meinem Markenzeichen entwickelt.

Gibt es sonst noch Aspekte, die dich wirklich nerven an der Modewelt bzw. die du unglaublich wertschätzt?
Hmmm … Ich würde eigentlich nicht sagen, dass ich etwas hasse. Es kommt sehr stark darauf an, wie man selbst damit umgeht. Es gibt so viele Menschen, die in diesem so genannten Fashion Business sind. Du kannst dich dort hindurch bewegen und dabei nur die richtigen Menschen kennenlernen, die dich inspirieren und sich positiv auf deine Arbeit auswirken. Natürlich gibt es auch viele oberflächliche Leute, aber die triffst du höchstwahrscheinlich in jedem anderen Beruf genau so. Was ich wirklich nicht mag, ist diese Angewohnheit jedem Trend hinterherzulaufen und alles sofort zu hypen nur weil es neu ist. Das verstehe ich einfach nicht. Ich mache Mode für Menschen, die das ähnlich sehen wie ich.

Wie siehst du die Rolle von Berlin als Modestandort?
Das Problem von Berlin ist, dass Berlin immer noch versucht so wie Mailand oder Paris zu sein. Das wird aber nie passieren. Ich sehe schon das Potential von Berlin aber es muss den Mut haben sich ein eigenes Profil zuzulegen. Ich könnte niemals in einer anderen Stadt arbeiten, das wäre für mich nicht möglich. Ein Laden zu führen, so wie ich ihn habe, das ist wahrscheinlich nur in Berlin möglich. Das ist sehr inspirierend, aber es gibt da auch eine andere Seite. Du verkaufst als Designer nicht in Berlin, weil die Menschen einfach nicht das Geld haben. Vielleicht dauert das einfach noch ein paar Jahre.

Du bist in West-Berlin aufgewachsen. Würdest du sagen deine Mode ist stark von der Stadt beeinflusst?
Ja, definitiv aber das ist nur ein Aspekt meiner Arbeit. Ich bin auch durch andere Umgebungen beeinflusst. 1999 war ich für drei Monate in Moskau und habe dort mit einem Künstler zusammengearbeitet, der sehr stark von der russischen Avantgarde der 20er Jahre beeinflusst war. Das war kurz bevor ich meinen Abschluss gemacht habe. Dieser Konstruktivismus hat mich damals sehr stark beeinflusst und das sieht man wahrscheinlich heute noch. Ich bin also nicht typisch Berlin, da meine Mode natürlich auch noch aus meiner Zeit in Paris beeinflusst ist. Der Berliner Stil hat sich in den letzten Jahren aber auch weiterentwickelt. Früher wurde Berlin mit Streetstyle gleichgesetzt, immer mit ein paar punkigen, abgerockten Einflüssen. Mittlerweile ist der Berliner Stil eher sophisticated.

Gibt es ein Kleidungsstück aus deiner Kindheit, was dich heute noch begleitet?
Ja, das ist lustig. Das Shirt auf dem Kleiderhaken dort ist nämlich genau dieses Teil. Es ist wirklich mein absolutes Lieblingsteil. Es hat schwarze, gelbe, rote und blaue Streifen und ist das erste Kleidungsstück an das ich mich bewusst erinnere. Ich habe das so mit drei Jahren getragen und es damals aus unserer Verkleidungskiste geangelt. Es ist zwar nur ein Streifenshirt, aber es war damals wirklich sehr wichtig für mich und ich bin sehr glücklich, dass ich es heute noch besitze.

Viele der Leute, die wir interviewen leben in großzügigen Altbauwohnungen. Erzähl uns was dich in die Platte verschlagen hat?
Yeaaah! Ich habe bisher auch immer in sehr schönen Altbauwohnungen gelebt. Ich bin in einer wunderschönen Altbauwohnung in Charlottenburg aufgewachsen. Ja, gute Frage wie kam das eigentlich? Das war eigentlich mehr ein Zufall. Ich habe nach einer Wohnung gesucht und hab gehört, dass diese Wohnung hier frei ist. Erst war ich auch ziemlich skeptisch, ob ich in einer Wohnung mit solchen Wänden und Decken überleben kann. Ich hatte dann aber ziemlich schnell sehr viele Ideen, was man alles mit der Wohnung machen könnte. Es war extrem hässlich, als ich hier eingezogen bin. Hier lag so ein Plastikboden in Holzoptik und die Tapeten waren ebenfalls grässlich. Ich hab also zu aller erst die Tapete abgerissen, um die Struktur der Wände freizulegen und eine Wand musste auch ganz dran glauben. Für mich ist es eine schöne Veränderung, es fühlt sich an wie eine kleine Höhle, sehr clean und pur. Es beeinflusst mich auch sehr in meiner Arbeit, alles ist weiß und somit ein toller Gegenpart zu meinen dunklen Kollektionen.

Du hast dieses Jahr das aller erste Mal auch eine Männerkollektion gemacht, wie kam es dazu?
Ich habe schon immer davon geträumt eine Männerkollektion zu machen, da meine Frauenlinie auch sehr von Männermode inspiriert ist. Ich weiß auch, dass in Japan sehr viele Männer meine Frauenteile kaufen. Ich hatte immer einen riesigen Respekt davor, eine Männerkollektion zu machen. Du darfst nicht zu kreativ sein, sonst wird es schnell nur von schwulen Männern getragen und wenn du es zu klassisch machst, dann kannst du es genau so gut woanders kaufen. Ich war mir nicht sicher, ob ich in der Männerkollektion den gleichen nonchalanten, coolen aber dennoch relaxten Stil hinbekomme. Es ist ein erster Versuch und ich weiß, dass es noch nicht perfekt ist. Das Feedback war bisher aber sehr gut und ich freue mich darauf weiterzumachen, auch wenn ich keine Revolution in Sachen Männermode anstrebe.

Danke für das Interview, verrätst du uns zum Abschluss noch einen deiner Lieblingsplätze in Berlin?
Hm, mein Bett, mein zu Hause… Also wenn ich wirklich schlecht drauf bin fahre ich in den Grunewald und mache einen langen Spaziergang. Eigentlich laufe ich aber nur jeden Tag die eineinhalb Minuten von meiner Platte ins Atelier und abends wieder zurück. Ich hab nicht wirklich einen Ort, wo ich immer wieder hingehe. Ich mag Überraschungen, egal wo sie auftauchen.

Esthers Laden und Showroom befindet sich in der Almstadtstrasse 3 in Mitte. Mehr Informationen zu der aktuellen Kollektion findet ihr unter http://www.estherperbandt.com/.

Interview: Antonia Märzhäuser
Fotos: Philipp Langenheim
Video: Rogier Postma

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