Antje Taiga - Friends of Friends / Freunde von Freunden (FvF)

Antje Taiga

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Wir haben Antje Taiga zu Hause in Ihrer Wohnung im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg besucht. In einer sehr sympathischen, ruhigen Umgebung, gemütlich und gut ausgewählt eingerichtet. Während unseres Gesprächs haben wir über Berlin und ihr Umfeld, die Liebe zur Kunst und zur Musik gesprochen. Durch das viele Reisen, den Job und ihr privates Umfeld ergeben sich viele kleine Anekdoten aus ihrem Leben. Mehr verraten wir auch nicht. Lest selbst im Interview.


Wo bist du geboren und wo kommst du her?

Ich wurde in Mecklenburg geboren, dort war meine Mutter als Kind hingezogen und aufgewachsen. Sie studierte in Leipzig und lernte dort meinen Vater kennen. Für meine Geburt wollte sie ihre Familie um sich wissen, ging aber kurz darauf mit mir zurück nach Leipzig, um fertig zu studieren. Als ich zwei Jahre alt war, fingen meine Eltern als Wissenschaftler an der Akademie in Berlin Buch zu arbeiten und wir zogen nach Pankow, wo ich bis ich 16 wurde, zu finden war.


Wie hat sich Deine Wahrnehmung für Berlin geändert?

Berlin ist meine Heimat. Sie ist eine ewige Baustelle. Sie zieht wie jede andere Großstadt Menschen aus allen Teilen des Landes und der Welt an, was ich sehr schön finde. Das ist das, was das Leben in dieser Stadt ausmacht und ihre Qualität ist. Dazu kommt die Geschichte Berlins, die mit keiner anderen Stadt so vergleichbar ist. Ich bin glücklich in die Umbrüche von Vorwende, Wende und Nachwende hineingewachsen zu sein und aus beiden Seiten und aller Erfahrung zu schöpfen, den Vergleich zu haben und eine bestimmte andere Sozialität und Empfindsamkeit in mir zu tragen.
Zur Frage direkt, meine Wahrnehmung verändert sich täglich, sie entspringt meiner Stimmung und je nachdem wie die ist, werde ich Schönes, Hässliches, Neues, Altes, Verrücktes, Fürchterliches, Spiessiges, Ordnung und Chaos finden. Es kommt immer auf das Auge des Betrachters an, in Berlin wird man alles finden. Denn Berlin ist alles. Und Berlin erfindet sich täglich neu und bleibt doch immer Berlin, so wie es einem auch selbst die Möglichkeit gibt, sich täglich neu erfinden zu können oder zu müssen und dabei ganz man selbst wird oder bleibt.


Welche Stadt außer Berlin?

Das wird immer mehr Kopenhagen, denn dort wohnen meine Liebe und seine großartigen Freunde, die mir sehr viel bedeuten. Und auch die Stadt heißt mich jedes Mal sehr willkommen, das Meer ist nicht weit, es herrschen paradisische Zustände für Radfahrer, der Himmel ist weit und die Dänen ein sehr eigenes, besonderes und liebenswertes Völkchen. Ich habe in vielen Städten gearbeitet und intensive Zeiten dort verbracht und werde das auch weiterhin tun, trotz alledem sind Hamburg, Rom, Paris, London, Barcelona oder Stockholm im Moment nicht mein zuhause. Ich liebe sie und das was ich mit ihnen verbinde, aber es ist gerade nicht ihre Zeit. Wenn ich für mich allein reise, ohne Arbeit, zieht es mich schon immer eher in die Abgeschiedenheit, die geheimen Gärten, fern von Städten und vielen Menschen, wo die Natur spricht und der Wind mein Haar zerzaust.


Was bedeutet Italien für Dich?

Eine wunderschöne Zeit, eine große Liebe, ein kleines Theater, Lernen, Sehen, zu mir kommen, Essen, alle Sinne sehr wach, großartige und sehr merkwürdige Menschen, die Bürde der Geschichte, schlechtes Fernsehen, Fussball, ein sehr stereotypes öffentliches Frauen- und Männerbild und die Doppelmoral von Gesellschaft, Staat und Kirche.


Wie wichtig ist es für Dich, selbst zu kochen?

Ich koche eigentlich jeden Tag; ich liebe die Zubereitung, den Charakter von Obst und Gemüse, Backen ist großartig und ich habe das Gefühl etwas von meiner Mama, meiner Oma und meiner Uroma weiterzutragen.

Was bedeutet für Dich Kreativität?
Kreativität ist der Fluss, das große Spiel, der Schatz, den man in sich trägt, das, was durch Auge, Mund, Finger, Hände, Füße und den ganzen Körper aus einem heraus und eine Form finden will und muss. Es ist der Gedanke, das Schöpferische, die Essenz des Selbst, das Wichtige, die harte Arbeit, das, wofür sich jeder Kampf lohnt, das, was das Leben so wunderbar macht, wodurch man sich spürt, sich ausdrückt, sich selbst auf die Spur kommt und weiß oder herausfindet, wozu man hier ist.

Bist Du lieber Model, Schauspielerin, Fotografin, schreibst Du lieber oder schneidest Filme?
Darauf gibt es keine wirkliche Antwort, denn ich liebe alles was ich tue, bin das eine nicht lieber als das andere. Ich bin lieber das Eine und das Andere. Eine Arbeit führt zur anderen, bereichtert sie, vervollständigt sie und mich. Meine Ausbildung ist die einer Schauspielerin und Fotografin, ich fotografiere allerdings mittlerweile mehr als dass ich spiele, und das Schauspiel bedeutete für mich bisher nie eine Karriere, es war ein Hilfsmittel zur Selbstfindung und ich weiß, dass ich all das Wissen noch für ganz andere Sachen, wie zum Beispiel die Regie, die Kamera oder das Schreiben brauchen werde. Als Model arbeite ich schon sehr lange und immer noch viel und ich lebe davon, doch das alles sagt nichts und sagt nichts über mich aus, es ist nur ein Ausdruck und ein Schritt auf einem Weg, der mich noch ganz woanders hin und hauptsächlich zu mir selbst führen wird.


Was gibt Dir Inspiration?

Inspiration kann von überall kommen, sie steckt in jedem Ding, jedem Menschen, dem man begegnet, jedem Moment, wenn man seine Sinne darauf ausrichtet und ihr seine Fühler entgegenstreckt. Es kommt auf das eigene Bewusstsein für all diese Erscheinungsformen an. In allem steckt Schönes, das gesehen, gefühlt, geschmeckt und gefunden werden will. Liebe, die menschliche Natur und die unglaubliche Natur auf dieser Erde, für mich vor allem das Meer, ein großer Himmel und rauhe Klippen, sind wohl der größte Hort meiner Inspiration.

Welches Instrument würdest Du gerne spielen können und warum?
Ich wünschte, ich hätte je ein Instrument richtig lernen können. Es ist etwas das noch fehlt.. ein anderer, neuer, wunderbarer Ausdruck. Meine Stimme, Gitarre, Geige und vor allem Klavier, ja das würde ich alles gern spielen können.

Wie kamst Du zur Schauspielerei?
Ich hatte schon sehr früh Werbecastings und spielte in Musikvideos und Kurz- und Abschlussfilmen. So wie fast alles, kam auch die Ausbildung zu mir und ich habe es angenommen. Das heisst nicht, dass mir alles zufiel und ich für nichts kämpfen oder hart arbeiten musste. Ich glaube, das musste ich sogar mehr als andere. Aber es war damals mein Gedanke und Wunsch, etwas zu tun, dass mich zu mir bringt, durch das ich herausfinden könnte, was meine Spielarten sind, was alles verborgen und unterdrückt ist und was da wartet. Und was es mir ermöglicht das Leben und andere Menschen zu durchdringen. Ich hätte gern Psychologie studiert, doch ich hatte schon mit 16 angefangen als Model zu arbeiten und assistierte Fotografen, dann bekam ich mein Kind. Meine Karriere erlebte keinen Tiefpunkt, sondern ich musste mir eher Freiräume schaffen, als dass ich welche zu füllen gehabt hätte.
Meine Tochter war gerade ein Jahr alt, ich arbeitete zuviel und hatte eine sehr harte emotionale Zeit, war erschöpft und sehr müde. Ein guter Freund hatte mir schon oft von seiner Ausbildung an der Lee Strassberg Schule in New York erzählt und dann gab sein Lehrer, Michael Margotta, ein Seminar auf Mallorca. Eine befreundete Bühnenbildnerin, die dort lebte, bot mir an, sich tagsüber um meine Tochter zu kümmern und so trainierte und arbeitete ich zwei Wochen mit wundervollen Menschen, war zutiefst erfüllt und wußte, dass ich etwas sehr Wichtiges gefunden hatte. Als Michael Margotta kurz darauf eine Schule in Rom aufbaute, arbeitete und lernte ich weiter mit ihm und lebte abwechselnd über drei Jahre in Rom für die Ausbildung und in Berlin für die Arbeit.

Wieso Model?
Das kam vor 12 Jahren und nach einer Weile liebte ich die Arbeit mit grossartigen und fantasievollen Menschen, die mit dem Job verbundene finanzielle und persönliche Freiheit und die Entwicklung meines Ausdrucks, das Schaffen und Ausfüllen von Bildern durch Persönlichkeit und Charakter. Ich bin dankbar für alles, was ich lernen, sehen, machen und erschaffen durfte und froh, über alle wundervollen, verrückten, merkwürdigen, unverschämten, gestressten, anständigen, traurigen und unglaublichen Momente und Menschen, Arbeitstiere, Lehrer und Freunde, die ich getroffen, kennengelernt und in mein Herz geschlossen habe, sie mir und ich ihnen geholfen habe.

Dein Lieblingsdesigner?
Mein Lieblingsdesigner ist definitiv Henrik Vibskov, meine Freunde Fiona Bennett, Thomas und Maria von ButterflySoulfire, Anke Bruns und deren Label z.B., vor allem, seit sie Kleider entwirft, und Stine Goya.
Ausserdem liebe ich Chloé und Yohji Yamamoto.


Wo gehst du shoppen?

Ich gehe nicht oft shoppen und wenn ich auf der Suche nach etwas Bestimmten bin, laufe ich viel herum, suche überall, bis ich es finde. Ich habe letztes Jahr einen kleinen unglaublichen Glockenladen in Mitte entdeckt, als ich ein Geschenk für meinen Freund gesucht habe, dorthin gehe ich oft, nur um einen neuen Klang zu entdecken. Auf Reisen liebe ich es, alte ansässige Läden, junge Designer und Märkte zu entdecken.

Deine Lieblingsorte in Berlin?
Es gibt so viele Orte, an denen ich gerne bin. Zuhause, die Dächer von Berlin, am Fluss, Clärchens Ballhaus, Schokoladen in der Ackerstr., das Lido, Café Burger, Künstlerhaus Bethanien, Haus der Kulturen der Welt, Schaubühne, Kino Babylon, das Freiluftkino im Friedrichshain, Kino International, das Restaurant Rossi und der Bioladen in der Winsstr., das Restaurant Pappa e ciccia meiner Freundin Nicole und all die kleinen feinen Orte, die man nur findet, wenn man offenen Auges durch die Strassen dieser Stadt läuft.. Ach ja, das Umland von Berlin ist ebenfalls wundervoll!


Lieber vor oder hinter der Kamera?

Beides ist wichtig und gibt mir wahnsinnig viel und ich gebe viel in beides, glücklicherweise muss ich mich nicht entscheiden und beide Seiten kennen und in Beidem gut zu sein, mich bereichert das jeweils andere.

Was hörst Du zur Zeit am meisten?
Sam Amidon, Efterklang, Nils Frahm, Dustin O’Halloran, Peter Broderick, Bonnie Prince Billy, Slaraffenland, Hauschka, Camera Obscura, Antony and the Johnsons, Julia Kent, Nico Muhly, Teitur, Helene Grimaud, Firekites, Oh Land, Grizzly Bear, The National, Yeasayer, DM Stith, Jeny Wilson, Einstürzende Neubauten.


Wo schickst Du Freunde hin, die zum ersten Mal in Berlin sind, damit Sie den besten Eindruck von Berlin bekommen?

Auf den Fluss, auf eine kulinarische Tour von früh bis abends durch alle Bezirke und dann von Bar zu Bar vorbei an ein paar guten Clubs und Orten, an denen man Tanzen kann und dann zum Sonnenaufgang auf ein Dach.

Antje meistert Berufs- und Privatleben. Sie bekommt sowohl das Dasein als Mutter, die Liebe in Kopenhagen und die beruflichen Tätigkeiten in ganz Europa unter einen Hut, und das mit Erfolg.
Wenn man mehr über Antja Taiga und ihre aktuellen Projekte erfahren will, klickt man sich einfach durch ihren tumblr, ihr Profil bei Vimeo oder schaut sich ihr letztes Kurzfilmprojekt “Underneath from Above” für ButterflySoulfire an (directed by Steffen Seeger).

Vielen Dank für das tolle Interview und die schönen, ehrlichen Antworten Antje.

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